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Die Wohltaeter

Titel: Die Wohltaeter
Autoren: Nuri Kino Jenny Nordberg
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im Augenblick nicht weißt, was du willst, soll das Leben anderer deshalb nicht verloren sein. Wir haben es allen zuliebe getan. Und ihrer Mutter zuliebe.«
    Wendel lächelte wirklich. Ein echtes, warmes Lächeln. Er glaubte selbst an das, was er erzählte.
    Jürgen erwiderte sein Lächeln nicht. »Ich glaube dir nicht. Das ist Kidnapping. Strafbar.« Er kämpfte mit sich, um die Kontrolle über seine Stimme nicht zu verlieren. Er durfte nicht anfangen zu weinen oder dem Impuls folgen, Wendels Hals zwischen seine Hände zu nehmen und so lange zuzudrücken, bis er das, was er gerade gesagt hatte, zurücknahm. Oder wenigstens aufhörte, zu reden. Aber Wendel fuhr fort:
    »Ich weiß nicht, ob du mich verstehst. Denn ich glaube nicht, dass du dir momentan im Klaren darüber bist, was du tust. Im Grunde genommen ist es umgekehrt. Du hattest geplant, Miriam hier wegzuholen, nicht wahr?« Er legte den Kopf schief. »Das hätten wir niemals zugelassen. Dass sie ohne ein Ziel aufwachsen würde. Aus ihr wird einmal etwas Bedeutenderes, als du und ich es je waren. Das steht schon lange fest. Und du weißt es.«
    »Das ist krank«, sagte Jürgen mit brüchiger Stimme. »Was ihr aus ihr machen wollt. Sie ist meine Tochter. Sie ist noch ein kleines Kind.«
    »Richtig. Aber sie ist nicht nur deine Tochter, stimmt’s?«
    Jürgen nickte stumm. Er fürchtete, Wendel könnte den Gedankengang weiter ausführen. Er wollte nichts darüber hören, was Miriams Mutter gewollt hätte.
    »Wo ist sie?«
    »Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht.« Wendel zuckte mit den Schultern. »In einem unserer Länder, vermute ich.«
    In einem von mehr als einem Dutzend Ländern, dachte Jürgen automatisch. In einem der drei Erdteile. Dann versuchte er sich zu fangen. Im Grunde hatte er das gesamte deutsche Rechtssystem hinter sich. Alles war bereits klar. Als er wieder zum Sprechen anhob, war seine Stimme kräftiger:
    »Das geht nicht. Jemand ist auf dem Weg hierher. Kidnapping ist ein Verbrechen.«
    »Du wiederholst dich.« Wendel runzelte missbilligend die Stirn. »Außerdem ist niemand auf dem Weg hierher. Du hast dein Treffen nämlich abgesagt. Nächste Woche wirst du deiner Kontaktperson vollkommen andere Dokumente übergeben. Diese Dokumente hier werden zu nichts führen. Und wir werden weiterhin kooperieren. «
    Jürgen schüttelte den Kopf und blinzelte ungläubig. Was Wendel von sich gab, war noch immer unfassbar.
    »Ich werde noch ein letztes Mal versuchen, es zu erklären«, sagte Wendel, »dann muss ich gehen.«
    Er neigte sich Jürgen noch weiter zu und sperrte seine Augen so weit auf, als müsste er einem Kind etwas erklären, das sich nur eine begrenzte Zeit lang konzentrieren konnte.
    »Du hast diese Situation verursacht. Du bist auf schlechte Gedanken gekommen, und wir haben riskiert, dich zu verlieren, und nicht nur das. Also wollten wir dir auf bestmögliche Art helfen, auf den rechten Weg zurückzugelangen. Und wir tun es, indem wir uns um das Mädchen kümmern – was dir bisher ebenfalls nicht gelungen ist. Du weißt, wir tun es aus guten Gründen. Wir werden für sie sorgen, aber nur unter der Voraussetzung, dass du dich zusammenreißt und fortsetzt, was wir geplant haben. Sobald du dein Tief überwunden hast, wirst du uns dankbar sein.«
    Wendel entriegelte den Türknopf und öffnete die Autotür. Er hatte bereits einen Fuß auf den Asphalt gesetzt, als er sich noch einmal umdrehte.
    »Also, wir sehen uns Montag.«
    »Nein, warte«, sagte Jürgen eifrig, mit einem neuen Einfall. Innerhalb weniger Minuten war sein Gemütszustand von triumphierend über trotzig in wütend und schließlich erbärmlich übergegangen. Nun hatte er den Moment erreicht, in dem er eine Chance zur Verhandlung sah. Er wollte verhandeln. Ich werde ihn zur Vernunft bringen. Er versteht es nicht besser, er glaubt, er tut das einzig Richtige, ich muss ihn dazu bringen, zu verstehen.
    »Miriam ist erst drei Jahre alt. Sie muss bei mir bleiben dürfen. Du kannst mir nicht einfach erzählen, dass sie weg ist ... « Er unterbrach sich und schluckte vorsichtig, weil er den Satz nicht weiterführen konnte. Er räusperte sich und fand erneut seinen Faden. »Es kann nicht alles nur nach euren Bedingungen laufen.«
    Wendel sah ihn an. »Du weißt, wer wir sind. Du bist selbst ein Ausbilder, auch wenn du vom rechten Weg abgekommen bist. Wir lieben dich. Und wer – wenn nicht du – weiß exakt, wie wir funktionieren? Wir müssen vereint zusammenstehen.«
    »Aber wann ...
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