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Die Woelfin

Die Woelfin

Titel: Die Woelfin
Autoren: Vampira VA
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hatten und dort festhielten, verwandelten sich in unsichtbare Klingen, die sie bei lebendigem Leib enthäuten wollten.
    Auf dem Rücken entstand ein präziser erster Schnitt.
    Vieltausendfach erprobt.
    Doch dann wurde offenbar, daß sich diese Häutung von den unzähligen davor unterscheiden würde.
    Wer immer das mörderische Skalpell führen mochte - in Sugrivas Fall wich er von den Vorgaben ab. Quer über den schlanken Hals des Mädchens entstand eine klaffende Wunde, die die Haut verheerte und sie für den ihr zugedachten Zweck - eine weitere Seite im Buch der Bücher zu liefern - unbrauchbar machte.
    Blut regnete auf die Mönche hinab, die in heilloser Panik davor flüchteten, als könnte es ihnen schaden.
    Dann bewahrheitete sich, was der Mönch Rani hinsichtlich Sugri-vas Verbleib geantwortet hatte: »Sie Ist Dir Vorausgeeilt.«
    Der Junge spürte, wie die Kraft, die ihn und die Toten gehalten hatte, jäh versiegte.
    Aus zehn Metern Höhe fiel er wie ein Stein zu Boden.
    Er war sofort tot.
    *
    Ganz in der Nähe ...
    Baghdi schrak aus seiner Trance, verlor die Gewalt über den Federkiel in seiner Hand, und mit einem durch Mark und Bein gehenden Mißton schabte die blutgetränkte Spitze über den riesigen Bogen aus Menschenhaut, der auf dem Schreibpult festgespannt war. Die Seite, die - wie alle anderen davor - Eingang in die EWIGE CHRONIK finden würde, konnte also nicht verrutschen. Der falsche Federstrich lag eindeutig an Baghdi. Die Schuld an diesem noch nie geschehenen Mißgeschick trug er - ganz allein er.
    Fassungslos starrte er auf das zerstörte Piktogramm aus Blut. Im selben Moment wurde eine der sieben Türen im Rund des Skriptori-ums aufgerissen. Nur Sekunden später die nächste.
    Zwei Gestalten, gekleidet wie Baghdi, stürmten herein. Terentius stolperte über die eigenen Füße, kam zu Fall und schlug mit dem Gesicht auf. Sein Schrei löste Baghdis Konzentration endgültig auf.
    »Seid ihr wahnsinnig ...?« Der Tranceschreiber stöhnte benommen.
    Terentius heulte indes wie ein getretener Hund. Er versuchte sich wieder aufzurichten. Seine Nase hing schief, als hätte er sie beim Sturz gebrochen. Sein Begleiter Gordon kümmerte sich nicht um ihn, sondern blickte starr auf Baghdi, in dem noch die Bilder nachschwangen, die er gesehen hatte.
    »Mir hat geträumt, sie ... sie brauchten uns nicht mehr ...!« keuchte er.
    Baghdi hatte ein Gefühl, als lege sich eine knöcherne Klaue um seine Kehle. Zeit verrann, ohne daß er imstande war, etwas zu erwidern. Er war schockiert, weil Gordon das in Worte gefaßt hatte, was er selbst empfunden hatte, in dem Moment, als er aus seiner Arbeit geschreckt worden war.
    Mir hat geträumt...
    Er erhob sich vom Stuhl. Sein Rücken war steif und verspannt, als hätte er Tage in ein und derselben Haltung zugebracht. Langsam ging Baghdi auf Gordon und Terentius zu. Gordon wäre als nächster an der Reihe gewesen, den Federkiel zu übernehmen. Eine Ab -folge, die schon eine kleine Ewigkeit Bestand hatte.
    »Was ist mit dir?« richtete Baghdi das Wort an Terentius, dem das Blut aus der Nase schoß. Es befleckte Kleidung und Boden im selben Ton wie die Tinte das ledrige Pergament dort auf dem Pult, von dem Baghdi, Gordon und Terentius noch nicht ahnten, daß es die letzte Seite der EWIGEN CHRONIK war, in der seit Urzeiten die böse Geschichtsschreibung der Menschen und deren Herren verzeichnet worden war.
    »Ich empfinde dasselbe«, beantwortete Terentius gequält Baghdis Frage. Vorsichtig hob er die Hand, um seine schiefe Nase zu betasten - und ließ sie unvermittelt wieder sinken, als er das absolut Zweitrangige dieser Verletzung begriff.
    Bedeutungslos im Vergleich zu dem, was Gordon gerade angesprochen hatte.
    »Wir müssen mit den anderen reden«, entschied Baghdi. »Und zwar schnell.«
    Ohne Zögern ging er auf eine der noch geschlossenen Türen zu, vier an der Zahl. Neben den Unterkünften von Gordon und Terenti-us stand auch seine eigene offen.
    Insgesamt waren sie zu siebt. Sieben auf engstem Raum zusammengepferchte Schreiber, die sich an ihre Vorleben nicht - oder kaum mehr - zu erinnern vermochten. Irgendwann hatte sich ein jeder im Skriptorium wiedergefunden, vertieft in eine Arbeit, deren Sinn ihnen niemand erklärt hatte. Mit geschlossenen Augen nahmen sie Anteil am Geschehen der Welt draußen - einer Welt, die wie ein Traum vor ihrem Geist Revue passierte.
    Intuitiv erkannten die Schreiber, was davon wichtig war, was festgehalten werden mußte für jene, die
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