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Die Woelfin

Die Woelfin

Titel: Die Woelfin
Autoren: Vampira VA
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Ausnahme. Wohin das Auge blickte, traf es auf die Werke bekannter, zumindest aber talentierter Bildhauer und Steinmetze. Grüfte, Mausoleen, Denkmäler und Büsten gaben Aufschluß über die Berühmtheiten, deren sterbliche Reste hier zur ewigen Ruhe gebettet waren.
    Chopin, Balzac, Moliere...
    Vor der Rückkehr des Meisters hatte Jerome häufig stumme Zwiesprache mit den längst zu Staub Verfallenen gehalten, und oft hatte er bedauert, daß Hector Landers, der Meister, nicht wenigstens ein einziges dieser Genies vor dem Tod beehrt hatte, um ihm, Jerome, einen geistreichen Gefährten für die vielen einsamen Nächte zur Seite zu stellen, in denen er nicht mit der Jagd nach fremdem Blut beschäftigt war.
    . .. Oscar Wilde, Victor Noir, Allan Kardec ...
    Jerome war der Gedanke gekommen, Landers jetzt darum zu bitten. Bevor er vielleicht wieder fortging und auf lange Zeit verschwand. Auch im Paris der Gegenwart tummelten sich Persönlichkeiten, die Jerome als Bereicherung seines Alltags geschätzt hätte. Da er aber nicht in der Lage war, sich selbst zu helfen - eine Dienerkreatur konnte selbst keine Diener schaffen; seine Gier hinterließ nur Tote, die tot blieben -, konnte nur der Meister ihm diese Bitte erfüllen.
    Jeromes Herr hatte sich in einer Wohnung im Stadtteil La Defense häuslich eingerichtet, nachdem sie die ersten Tage gemeinsam und vorzugsweise bei Nacht die Stadt durchstreift hatten.
    Inzwischen fiel Jerome kaum noch auf, daß der Meister sich bei ihren ersten Begegnungen und Unternehmungen höchst merkwürdig verhalten hatte - so als klafften enorme Lücken in seiner Erinnerung. Mehrfach hatte er sich von Jerome seinen eigenen Namen bestätigen lassen. Und bei dem ersten Opfer, das sie zu früher Morgenstunde in einer gottverlassenen Metrostation gefunden hatten (Jerome erinnerte sich mit wohligem Behagen, wie das Mädchen ge-storben war, nachdem sie sich rechts und links wie Egel an seine blutenden Halswunden festgesaugt hatten), hatte der Meister ihm sogar den Vortritt lassen wollen, als sei er, selbst was das Elementarste anging, zutiefst verunsichert .
    Jerome schüttelte den Kopf.
    Im nächsten Moment geriet seine Vorwärtsbewegung ins Stocken. Seine Instinkte schlugen an. Seine niedersten und zugleich ausgeprägtesten Instinkte .
    Witternd wie ein Tier legte er den Kopf schief. Seine Augen bohrten sich in die wolkenverhangene Nacht. Fast in derselben Sekunde begann ein feiner Nieselregen vom Himmel zu fallen.
    Kein Stern war zu sehen. Nur die weit auseinanderstehenden Laternen streuten ein ebenso gelbliches Licht wie die Sodiumlampen, die, unterhalb des Hügels und weit entfernt, den Eiffelturm wie einen glänzenden stählernen Dorn in der Nacht ragen ließen.
    Der Meister war älter als dieses Wahrzeichen.
    Viel, viel älter.
    Wenn ich es klug anstelle, dachte Jerome, werde auch ich die Zukunft sehen. Vielleicht werde ich dabei sein, wenn Geschöpfe wie der Meister einst mit den Menschen zu den Sternen hinauffliegen und fremdem Leben begegnen. Die Herren würden den KEIM über die ganze Galaxie verbreiten und - Narr!
    Wie hatte er vergessen können, daß etwas Schreckliches passiert war? Hier, auf diesem Planeten! Etwas, das die Mächtigen, die Jero-me ehrerbietig die »Herren« nannte, grauenhaft dezimiert hatte!
    Er hatte Hector Landers danach befragt, aber auch, was das anging, schien der Meister über weniger Informationen zu verfügen als Jerome selbst.
    Was war ihm widerfahren? Wer hatte ihm das angetan?
    Jerome würde den Schuldigen, so er seiner einmal habhaft werden würde, gnadenlos zur Rechenschaft ziehen. Er würde sein Pseudole-ben jederzeit für Hector Landers in die Waagschale legen - weil er es mußte. Der Keim des Herrn ließ ihm keine Wahl .
    Die Dienerkreatur verdrängte die Erkenntnis, nicht mehr als zu unbedingtem Gehorsam verpflichtetes Ding zu sein. Langsam drehte sie sich um ihre eigene Achse, bis ihr Gesicht in jene Richtung zeigte, aus der sie der Blutodem erreichte.
    Jerome konnte im Dunkeln sehen wie in der Dämmerung eines Tages. Aber er sah nur Gräber. Steine mit Namen und Inschriften. Skulpturen .
    Trotzdem schaffte er es nicht, sich abzuwenden und den Friedhof, wie eigentlich beabsichtigt, auf direktem Weg zu verlassen. Witterung und Instinkt erwiesen sich als stärker, und so schritt er schließlich dorthin, von wo vergossenes Blut ihn lockte. Frisches Blut, in seiner Ausdünstung derart intensiv, daß es Jerome kaum vorstellbar schien, es könnte sich lediglich
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