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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
Autoren: John Irving
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New Hampshire!
    Aber es war
schon allerhand für den alten Herrn, uns das Souterrain für Juli und August zur
Verfügung zu stellen. Seit meiner Enterbung hegt Mutter offensichtlich
großmütterliche Gefühle; das Sommerangebot ist wohl auf ihren Wunsch hin
zustande gekommen, Colm zu sehen und nicht etwa Biggie und mich. Und mein Vater
schien geneigt, sein finanzielles Ultimatum umzustoßen – obwohl mich diese
Tatsache ebenso kalt ließ wie damals die Streichung des Geldes. Außerdem hat er
für das Souterrain Miete verlangt.
    Bevor wir uns
wieder auf den Heimweg machten, hielt uns der ehrenwerte Doktor eine kleine
Rede: »Belassen wir es dabei, Fred. Du willst dich also vier Jahre lang auf die
eigenen Füße stellen. Ich muß sagen: Das gefällt mir. Bring deine Promotion
hinter dich, sieh zu, daß du gut abschneidest, und ich glaube, Mutti und ich könnten
dir und Biggie und Colm etwas Startkapital beisteuern. Der kleine Colm ist ja
wirklich ein Goldstück!«
    Und Mutti gab
Biggie einen Kuß (als mein Vater gerade nicht hinsah), und wir machten uns auf
den Weg zurück nach Iowa City. Drei Reifen und zwei Keilriemen später waren wir
wieder in unserem eingeschossigen Kriegsrelikt. Der Alte hat mir noch nicht mal
einen Dollar für die Autobahngebühren mitgegeben.
    In diesem
Zusammenhang fällt mir noch was Wichtiges ein, Couth – falls du noch was übrig
hast. Allein die Autobahngebühren haben über zwanzig Dollar gekostet, und ich
habe bei dem Kreditkarteninstitut noch nicht mal für die Reise an die Ostküste
im Juli bezahlt. Und in Michigan City, Indiana, haben wir einen Abstecher zum
Holiday Inn gemacht, was wahrscheinlich zur »Zwangspensionierung« meiner Gulf
Card führen wird.
    Aber halt! Ein
winziger Lichtstrahl tut sich auf in dieser Finsternis. Mein Doktorvater, Dr.
Wolfram Holster, läßt mir was aus der Kasse für Vergleichende Literatur, so
nennt er es immer, [26]  zukommen.
Dafür laß ich im Sprachlabor die Tonbänder für die Erstsemester in Deutsch
laufen. Mein Bürokollege und Mithilfskraft ist ein hinterhältiger kleiner
Pedant namens Zanther, dessen Interpretation und »supra-wörtliche« Übersetzung
von Borges diesen Monat in The Linguist ganz groß angekündigt wird. Ich
hab Zanther gezeigt, was ich diesen Sommer zu meiner Dissertation geschrieben
habe; er hat es alles an einem Nachmittag durchgelesen und mir gesagt, er
glaubt nicht, daß irgend jemand das veröffentlichen wird. Ich hab ihn gefragt,
wie hoch denn die Auflage von The Linguist sei; danach haben wir nicht mehr
miteinander geredet. Nach meiner Aufsicht im Sprachlabor ordne ich (wenn ich
weiß, daß Zanther als nächster an der Reihe ist) die Tonbänder sehr kunstvoll
falsch ein. Er hat mir eine Nachricht dazu hinterlassen: »Ich weiß, was du hier
machst«, stand da zu lesen; den Zettel hatte er in mein Lieblingstonband
geklemmt. Ich hab ihm auch einen Zettel hingelegt. Darauf stand: »Was du
machst, weiß niemand .«Jetzt
ist zwischen uns keine Verständigung mehr möglich.
    Immerhin, es
ist ein bißchen Geld in der Kasse, und ich krieg ein bißchen davon ab. Biggie
jobbt wieder im Krankenhaus, schiebt den Alten von 6 Uhr früh bis mittags die
Bettpfannen unter, fünfmal die Woche. Colm ist deshalb vormittags mit mir
allein. Er steht auf, wenn Biggie aus dem Haus geht. Ich versuche, so lange wie
möglich im Bett zu bleiben, meistens geht das bis sieben. Dann treiben mich
seine wiederholten Eröffnungen, daß was mit dem Klo nicht stimmt, ans Telefon,
und ich rufe Krotz, den Klempner, an.
    Ich kann Krotz
langsam schon nicht mehr sehen. Du weißt ja, daß ich das Haus für den Sommer
vermietet hatte, an drei Footballspieler, die einen Sommerwiederholungskurs in
»Kultur der Welt« belegt hatten. Ich wußte zwar, daß Footballspieler rauhe
Burschen sind, daß sie vielleicht einen Stuhl zu Kleinholz verarbeiten oder das
Bett kaputtmachen würden; ich war sogar schon drauf vorbereitet, in irgendeiner
Ecke ein Mädchen zu finden, das [27]  sie
vergewaltigt und achtlos beiseite geworfen hatten; aber ich war mir sicher, daß
sie sauber sind! Sportler – die duschen doch ständig und sprühen sich dauernd
ein! Ich war ganz sicher, daß sie nicht im Dreck leben können.
    Nun, die
Wohnung war schon sauber; und es lag nicht ein einziges vergewaltigtes Mädchen
rum. Ein Slip von Biggie war an die Tür genagelt, und der Schreibkundigste der
drei hatte einen Zettel daran geheftet: »Vielen Dank.« Biggie war leicht
säuerlich; sie hatte
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