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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
Autoren: John Irving
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kennen, wenn wir schon ewige Jahre zusammenlebten.
    Wir sind beide
achtundzwanzig, aber eigentlich ist sie älter als ich; sie ist schon aus dem
Alter raus, in dem man ständig über sich selbst reden muß.
    Es ist Tulpens
Wohnung, und alle Sachen darin gehören ihr.
    [19]  Ich
habe meine Sachen, und mein Kind, bei meiner ersten und einzigen Ehefrau
gelassen.
    Ich habe Dr.
Jean-Claude Vigneron gesagt, daß ich ein neues Leben anfangen will usw.; ich
habe gesagt, daß die Erörterung der Hintergründe meiner Rituale eine Weile
dauert; ich habe auch gesagt, daß ich nicht ganz aufrichtig bin. Aber Tulpen
ist es. Sie hilft mir, bei der Wahrheit zu bleiben, indem sie ihre Brust mit
dem Handrücken lupft. Im Handumdrehen habe ich gelernt, nicht zu reden, solange
der Plattenspieler läuft. Ich habe gelernt, nur die wichtigen Dinge zu sagen
(obwohl die Leute, die mich kennen, zu der Meinung tendieren würden, daß ich
selbst jetzt lüge. Die können mich mal, diese Pessimisten!).
    Mein
Urogenitaltrakt ist ein schmaler, gewundener Gang, und im Moment gibt’s Joghurt
und jede Menge Wasser. Ich werde mich an die Tatsachen halten. Ich will mich
ändern.

[20]  2
    Zeug aus dem Krieg
    Etwas anderes, was Fred Bogus Trumper leidenschaftlich gerne
tut, ist, sich an Merrill Overturf, den Diabetiker, zu erinnern. In seiner Iowa-Phase
sind diese Erinnerungen besonders angenehm. Und mit Hilfe einiger Tonbandaufzeichnungen
von Overturf auch recht detailliert.
    Nichts als
Flucht nach hinten. Er hört Merrill, in Wien – und schaut aus seinem Fenster in
Iowa, durch ein rostiges Fliegengitter und den Flügel einer dicken
Laubheuschrecke; er sieht einen Laster langsam näher kommen, gerammelt voll mit
Schweinen, völlig zugeschissen. Durch die Klagelaute der Schweine hindurch
lauscht er den Liedchen, die Merrill am Prater komponiert hatte – und die
später, wie Merrill behauptete, dazu dienten, Wanga Holthausen, eine Gesangslehrerin
der Wiener Sängerknaben, zu verführen. Die Hintergrundmusik kommt von der Go-Kart-Bahn
am Prater, wo Merrill einst den 20-Runden-Rekord hielt. Wahrscheinlich ist der
noch immer ungebrochen.
    Die Aufnahme
ist an manchen Stellen leicht verzerrt; dann erzählt Merrill seine
Schwimmgeschichte, bei der es um einen Panzer auf dem Grunde der Donau geht.
»Man kann ihn nur bei Vollmond sehen. Man muß das Mondlicht mit dem Rücken
abschirmen«, sagt Merrill, »dann reflektiert das Wasser nicht.« Dann hebt man den
Oberkörper irgendwie aus dem Wasser und hält den Kopf »ungefähr fünfzehn
Zentimeter über der Wasseroberfläche – und dabei muß man ständig auf die
Anlegestelle bei Gelhafts Keller schauen«. Irgendwie verharrt man in dieser
Position, ohne das Wasser aufzurühren, »und wenn kein Lufthauch das Wasser
kräuselt, schwingt das Kanonenrohr des Panzers [21]  hoch, so nah, daß man meint, es berühren zu
können oder daß es direkt auf einen gerichtet sei, als wolle es einen
zerfetzen! Und mitten im Fluß, auf der Höhe von Gelhafts Keller, öffnet sich
die Einstiegsluke des Panzers, das heißt, sie bewegt sich im Wasser,
beziehungsweise sie scheint sich zu öffnen. Aber länger habe
ich nie mein Gesicht ungefähr fünfzehn Zentimeter über der Wasseroberfläche
halten können…« Dann beginnt Merrill, diabetisch zu denken und erklärt, diese
Anstrengung beeinflusse immer seinen Blutzuckerspiegel.
    Bogus Trumper
drückt auf die REWIND -Taste.
Der Schweinelaster ist weg, aber jenseits des Fliegengitters hält die
Heuschrecke noch immer ihren Flügel ausgestreckt, glatter und verschlungener
als das Muster eines orientalischen Seidentuchs, und Trumper schielt durch
dieses wundersame Gittergewebe und sieht Mr. Fitch, den pensionierten Nachbarn,
wie er auf seinem trockenen, völlig zerharkten Rasen herumkratzt. Kritz-kratz
macht Mr. Fitch und verscheucht die allerletzte Ameise von seinem Rasen. Nur
durch einen Heuschreckenflügel ist der Anblick des rasenkratzenden Mr. Fitch
erträglich.
    Das Auto, das
sich jetzt an die Bordsteinkante heranarbeitet – und dem Mr. Fitch mit seiner
Harke zuwinkt –, beherbergt Trumpers Frau Biggie, seinen Sohn Colm und drei
Ersatzreifen. Trumper schaut auf den Wagen und fragt sich, ob drei Ersatzreifen
wohl ausreichen. Er drückt sein Gesicht gegen das Fliegengitter und erschreckt
die Heuschrecke, die mit ihrem heftigen Flügelschlag wiederum Trumper
erschreckt – welcher das Gleichgewicht verliert und das verrostete
Fliegengitter aus dem Rahmen stößt. Bei dem
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