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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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bereits erörtert zu haben. »Das Prinzip ist simpel. Du trennst Urin von Kot«, er war wieder in den Duktus von Bauanleitungen gefallen, »nach jedem Stuhlgang streust du Asche, Stroh oder Hobelspäne darüber. Das Ganze trocknet und zerfällt innerhalb weniger Wochen zu bestem Dünger.«
    Helen war sprachlos. Er nahm tatsächlich von ihr an, sie würde ihr Geschäft im Freien verrichten. Im Wald hatte sie nichts dagegen. Im Notfall. Aber im 8. Bezirk vor den Augen ihrer Nachbarn, die schon wegen der Bauarbeiten schlecht auf sie zu sprechen waren? Wie würden die sich aufregen, wenn sie Helens Fäkaliengeruch im Wohnzimmer erschnupperten?
    »Es kommt zu keiner Geruchsbildung. Trockener Stuhl riecht nach frischer Walderde. Außer wenn Ammoniak dazukommt, dann fängt er an zu stinken. Aber Harn separieren wir ja.«
    »Und wie?« Helen war verblüfft, wie bestimmt er war. Sein Projekt musste sich in einer fortgeschrittener Planungsphase befinden. Helen vermutete sogar, Leo hatte die Planung bereits abgeschlossen und war zur Realisierung übergetreten. »Warte«, sagte er und spurtete aus dem Garten zu seinem Rad in der Einfahrt. Er holte ein Prospekt aus den Satteltaschen und kam damit zu Helen zurück. »Entweder wir kaufen uns dieses Modell aus Kunststoff«, mit seinem Finger tippte er auf eine Abbildung im Katalog, »oder wir bauen nach diesem Vorbild eines aus Holz.« Das Bild zeigte eine Kiste mit Kübel, davor einen kleinen Behälter. In die Kiste sollten laut Beschreibung feste Materialien, in die Flasche flüssige. »Statt des Kübels verwenden wir einen Tontopf, den wir in der Blumenwiese vergraben, wenn er voll ist. Von dort kann sich die schwarze Erde über den gesamten Garten ausbreiten. Unseren Harn sammeln wir in einer Glasflasche mit Vulva-Aufsatz und bringen ihn mit Wasser verdünnt als Schnelldünger auf.« Leo strahlte ob seiner ausgereiften Überlegungen.
    »Du willst das wirklich machen, oder? Das ist kein Scherz?« Helen war sich Leos Antwort ziemlich sicher, wollte aber eine abschließende Bestätigung.
    »Natürlich. Wenn wir schon Dünger erzeugen können, sollten wir ihn nicht achtlos in die Kanalisation spülen. Leben im perfekten Kreislauf: Unser Gemüsebeet ernährt uns, wir ernähren unser Gemüsebeet.« Er klappte das Prospekt zu, ließ seine Hand sinken, schaute Helen an. Etwas traurig, weil sie nichts mit seinen Spielsachen anzufangen wusste.
    »Dir ist bewusst, dass ich schon auf kurzen Reisen zu Verstopfung neige? Dass ich auf fremden Toiletten Hemmungen habe? Dass ich bei meinem kleinen und noch viel mehr bei meinem großen Geschäft ungestört sein muss? Und du meinst wirklich, ich hocke mich bei Wind und Wetter in den Garten?«
    »Wir bauen eine Hütte drum herum, stellen eine Pergola auf, eine begrünte Laube, irgendetwas, das zuwächst und Sichtschutz bietet.«
    »Du weißt schon, dass wir das Haus generalsaniert haben, um Wohnungen zu vermieten? Für Standard ›Klo im Hof‹ werden sich nicht allzu viele interessieren, befürchte ich.«
    »Aber genau das ist der Trick. Wenn im Inserat ›500 Euro für 100 Quadratmeter, inklusive Betriebskosten und Reparaturfonds, thermisch saniert, Solaranlage und Innenstadtnähe‹ steht, was glaubst du, was sich hier abspielen wird? Wenn ich dann mein Triletzky’sches Auswahlverfahren mittels Abschreckung durchführe und ›zwingend sparsamer Wasserverbrauch‹, ›nur vollständig abbaubare Waschmittel‹, ›Grauwassersystem‹ und das Killer-Argument ›Humustoilette‹ fallen lasse, wird sich die Spreu vom Weizen trennen, beziehungsweise die Uninteressierten von den netten, umsichtigen, angenehmen Mitbewohnern und -wohnerinnen. Ich werde entweder Wohlwollen oder blankes Entsetzen in den Gesichtern unserer Bewerberinnen lesen können und eine gute Wahl treffen.«
    »Wirst du?«, fragte Helen sehnsüchtig und sah kurz ihr zukünftiges Leben als Hausbesitzerin aufblitzen. Leo wäre Ansprechpartner für alle Problemchen ihrer Mieter und Mieterinnen, er würde sich um den reibungslosen Haussegen kümmern, was Helen freute, denn im Umgang mit fremden Personen war sie noch immer nicht routinierter als zu ihrer Schulzeit. Sie müsste lediglich finanzielle Agenden übernehmen, könnte sich als Vermieterin im Hintergrund halten und sich ihrer geruhsamen Gartenarbeit widmen.
    »Schau mal, wahrscheinlich bin sowieso ich der Einzige, der hier seine Verdauungsprodukte abliefert. Ich will das einfach ausprobieren und die anderen sollen sich daran nicht
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