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Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3

Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3

Titel: Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3
Autoren: Arthur Conan Doyle
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Schatten drüben hinter dem Fenster war der Köder, und wir waren die Jäger.
      Schweigend stand wir im Dunkeln beieinander und hielten die Blicke auf die vorübereilenden Gestalten gerichtet. Holmes war stumm und reglos, aber ich wußte, daß er höchst angespannt den Strom der Straßenpassanten fixierte. Es war eine trübe, rauhe Nacht, und der Wind pfiff schrill durch die lange Straße. Viele Leute bewegten sich in beiden Richtungen, die meisten in Mäntel und Schals gehüllt. Mehrere Male kam es mir vor, als hätte ich eine Gestalt schon einmal vorbeikommen sehen; besonders fielen mir zwei Männer auf, die sich, als suchten sie Schutz vor dem Wind, in den Eingang eines entfernter liegenden Hauses zurückzogen. Ich wollte meinen Gefährten auf sie aufmerksam machen, aber er ließ nur einen unwilligen Laut hören und starrte unverwandt weiter auf die Straße. Wiederholt bewegte er unruhig die Füße und trommelte mit den Fingern an der Wand. Für mich war offensichtlich, daß er unruhig wurde, daß seine Pläne sich nicht so entwickelten, wie er gehofft hatte. Zuletzt, so gegen Mitternacht, die Straße war allmählich fast leer, schritt er in unkontrollierter Erregung im Zimmer hin und her. Ich wollte ihn schon ansprechen, als ich den Blick auf das erleuchtete Fenster gegenüber richtete – und wieder erlebte ich eine genauso große Überraschung wie vorhin. Ich umklammerte Holmes’ Arm.
      »Der Schatten hat sich bewegt!« rief ich.
      In der Tat war uns jetzt nicht mehr das Profil zugewandt, sondern der Rücken.
      Er hatte in den drei Jahren nichts von seiner Schroffheit verloren, auch nichts von der Ungeduld gegenüber einer weniger zupackenden Intelligenz.
      »Natürlich ist er bewegt worden«, sagte er. »Bin ich denn ein so lächerlicher Stümper, Watson, daß ich eine Attrappe aufbaue und dann einfach annehme, einer der hellsten Köpfe Europas ließe sich davon täuschen? Wir sind jetzt zwei Stunden in diesem Zimmer, und Mrs. Hudson hat die Figur inzwischen achtmal gedreht, jede Viertelstunde einmal. Sie hält sich dabei hinter ihr, so daß kein Schatten fällt. Aha!« Mit einem pfeifenden Geräusch zog er die Luft ein. In dem trüben Licht sah ich, wie er den Kopf vorstieß und vor Aufmerksamkeit starr wurde.
      Die beiden Männer mochten sich noch in dem Hauseingang herumdrücken, ich sah sie nicht mehr. Rings war alles still und dunkel, bis auf das strahlend gelbe Rouleau uns gegenüber mit der schwarzen Gestalt, die sich in der Mitte abzeich nete. Und wieder hörte ich in dieser völligen Stille den dünnen, zischenden Ton, der von mühsam unterdrückter Erregung kündete. Einen Augenblick später zog Holmes mich in die dunkelste Ekke des Zimmers, und ich fühlte, wie er mir warnend die Hand auf den Mund legte. Die Finger, die meinen Arm umspannten, zitterten. Nie hatte ich meinen Freund in größerer Erregung erlebt, und doch lag die Straße einsam vor uns.
      Plötzlich gewahrte auch ich, was seine feineren Sinne längst aufgefangen hatten. Verstohlene Laute drangen an mein Ohr. Sie kamen nicht von der Baker Street her, sondern von der Hinterfront des Hauses, in dem wir uns versteckt hielten. Eine Tür wurde geöffnet und wieder geschlossen. Einen Moment danach hörte ich schleichende Schritte im Gang – Schritte, die leise sein sollten, aber hart durch das leere Haus hallten. Holmes bewegte sich rückwärts an die Wand, und ich folgte ihm, die Hand auf dem Revolvergriff. In der Dunkelheit sah ich den vagen Umriß eines Mannes, eine Schattierung schwärzer als das Schwarz der offenen Tür. Nur kurz stand er so, dann schlich er, geduckt, drohend, ins Zimmer. Sie war noch drei Schritt von uns entfernt, diese unheilvolle Gestalt, und ich bereitete mich darauf vor, ihrem Sprung entgegenzutreten, als ich bemerkte, daß der Mann von unserer Gegenwart nichts ahnte. Er ging dicht an uns vorüber, wandte sich zum Fenster und zog es langsam und geräuschlos einen halben Fuß breit auf. Als er sich zu dem Spalt hinunterbeugte, fiel das nicht länger von der staubi gen Scheibe verdunkelte Licht der Straße voll auf sein Gesicht. Der Mann schien vor Erregung außer sich zu sein. Seine Augen funkelten wie Sterne, und seine Züge arbeiteten angestrengt. Es war ein älterer Mann mit einer schmalen, weit vorspringenden Nase, hoher kahler Stirn und einem riesigen grauen Schnauzbart. Auf seinem Hinterkopf saß ein Zylinder, und unter dem geöffneten Mantel schimmerte ein Frackhemd. Das hagere, dunkle
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