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Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3

Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3

Titel: Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3
Autoren: Arthur Conan Doyle
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dem Fuß Halt, und dann gibt es auch noch einen kleinen Vorsprung im Fels. Die Wand ist so hoch, daß es offensichtlich unmöglich ist, sie ganz zu durchsteigen; ebenso unmöglich schien mir, über den nassen Pfad zurückzukehren, ohne Spuren zu hinterlassen. Es ist wahr, ich hätte meine Stiefel verkehrt herum anziehen können, wie ich es bei ähnlichen Gelegenheiten schon getan habe, aber der Anblick von drei Paar Füßen, die in ein und dieselbe Richtung gehen, hätte den Verdacht auf Täuschung nahegelegt. Aufs Ganze gesehen, war es also am besten, daß ich den Aufstieg wagte. Das war, weiß Gott, keine angenehme Sache, Watson. Unter mir tobte der Wasserfall. Ich leide nicht unter Einbildungen, aber ich gebe Ihnen mein Wort darauf, daß mir war, als schreie Moriartys Stimme aus der Tiefe zu mir herauf. Ein Fehler hätte verderbliche Folgen gehabt. Mehr als einmal, wenn ich mit den Händen unvermittelt Grasbüschel herausriß oder wenn mein Fuß in den nassen Spalten des Felsens wegrutschte, dachte ich, es sei aus mit mir. Aber ich kämpfte mich nach oben und gelangte schließlich auf einen Vorsprung, der einige Fuß breit und mit weichem grünem Moos bewachsen war, auf dem ich mich ungesehen und ganz bequem ausstrekken konnte. Da lag ich denn, mein lieber Watson, als Sie und alle, die nach Ihnen kamen, so mitfühlend wie erfolglos Nachforschungen über die Umstände meines Todes anstellten.
      Endlich, nachdem Sie alle Ihre unvermeidlichen und völlig irrigen Schlüsse gezogen und den Rückweg zum Hotel angetreten hatten, war ich allein. Ich glaubte mich am Ende meiner Abenteuer, da belehrte mich ein völlig unerwartetes Ereignis, daß meiner noch Überraschungen harrten. Von oben stürzte ein großer Felsbrocken an mir vorüber, traf auf den Pfad und fiel weiter in den Abgrund. Einen Augenblick lang glaubte ich an einen Zufall; aber dann, als ich hinaufblickte, sah ich gegen den dunkler werdenden Himmel den Kopf eines Mannes, und ein zweiter Gesteinsbrokken landete genau auf dem kleinen Plateau, auf dem ich lag, nur einen Fuß von meinem Kopf entfernt. Natürlich war klar, was das bedeutete: Moriarty war nicht allein gewesen. Ein Mitverschworener – und der einzige Blick auf ihn hatte mich belehrt, ein wie gefährlicher Mann das war – hatte Wache gehalten, während der Professor mich angriff. Aus der Ferne und von mir unentdeckt, war er Zeuge geworden, wie sein Freund starb und ich floh. Er hatte gewartet und dann von der entgegengesetzten Seite die Felswand bestiegen, um seinen Erfolg dort zu versuchen, wo sein Kamerad gescheitert war.
      Es dauerte nicht lange, Watson, und ich hatte meine Lage überdacht. Wieder sah ich das finstere Gesicht über die Wand blicken, und ich wußte, es war die Ankündigung für den nächsten Stein. Ich kletterte nach unten, Richtung Pfad. Ich glaube nicht, daß ich das bei kühler Überlegung gewagt hätte. Der Abstieg war hundertmal schwieriger als der Aufstieg. Aber ich hatte keine Zeit, an die Gefahr zu denken, denn schon wieder sauste ein Felsbrocken an mir vorüber, als ich, mich nur mit den Händen haltend, am Rand des Vorsprungs hing. Auf halbem Wege rutschte ich ab, landete aber mit Gottes Hilfe zerschunden und blutend auf dem Pfad. Ich nahm die Beine in die Hand und rannte in der Dunkelheit zehn Meilen durch das Gebirge, und eine Woche später fand ich mich in Florenz wieder, mit der Sicherheit, daß niemand auf der Welt wußte, was aus mir geworden war.
      Ich hatte nur einen Vertrauten – meinen Bruder Mycroft. Ich muß Sie vielmals um Entschuldigung bitten, mein lieber Watson, aber es war wichtig, daß man allgemein glaubte, ich sei tot, und Sie hätten niemals eine so überzeugende Geschichte um mein unglückliches Ende schreiben können, wenn Sie nicht angenommen hätten, Sie schrieben die Wahrheit. In den letzten drei Jahren habe ich oft die Feder in die Hand genommen, um Ihnen zu schreiben, aber ich fürchtete stets, daß Ihre Zuneigung Sie in Versuchung bringen könnte, eine Indiskretion zu begehen, die mein Geheimnis hätte verraten können. Aus diesem Grund wandte ich mich auch heute abend von Ihnen ab, als Sie meine Bücher durcheinanderbrachten, denn ich war in Gefahr, und jedes Anzeichen von Überraschung oder eine Emotion Ihrerseits hätten die Aufmerksamkeit auf mich, und wer ich wirklich war, lenken und zu höchst beklagenswerten und nicht wiedergutzumachenden Ergebnissen führen können. Was Mycroft angeht, so mußte ich mich ihm anvertrauen,
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