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Die Wiedergeburt

Die Wiedergeburt

Titel: Die Wiedergeburt
Autoren: Brigitte Melzer
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sich nicht allzu genau umsah.
    Einen Moment blieb er stehen und sah erst in die eine, dann in die andere Richtung, ehe er sich umwandte und zurück in die Gasse blickte, aus der er gekommen war. Alexandra hielt den Atem an. Der Blonde zögerte. Warum drehte er sich nicht wieder um und folgte einer der Gassen? Hatte er sie gesehen? Erst als er sich erneut dem Weg vor ihm zuwandte, wagte Alexandra wieder zu atmen. Er trat mitten auf die Kreuzung hinaus und ließ seinen Blick noch einmal in alle Richtungen schweifen, ehe er im Laufschritt der linken Abzweigung folgte.
    Alexandra löste sich von der Wand und näherte sich der Kreuzung, als sie Schritte vernahm, die rasch näher kamen – aus der Richtung, in die der Blonde gerade verschwunden war. Sie glitt in die Finsternis eines schmalen Durchgangs, der zwischen zwei Häusern in einen Hinterhof führte. Wasser spritzte mit einem gedämpften Plätschern auf, als sie in eine Pfütze trat. Eng an die Wand gepresst verharrte sie, aus Furcht sich zu verraten. Sie schob den Kopf vor und spähte um die Ecke, als der Blonde erneut auf die Kreuzung trat. Er blickte die Gasse entlang an Alexandras Versteck vorbei, ehe er sich der anderen Abzweigung zuwandte. Vorsichtiger geworden, verharrte Alexandra selbst dann noch in ihrem Versteck, als er längst außer Sicht war. Tatsächlich kehrte er kurz darauf zurück. Die Gelassenheit in seinen Zügen war einem missmutigen Ausdruck gewichen. Eine Weile stand er unentschlossen da, ehe er fluchend in die Gasse bog, aus der er ursprünglich gekommen war. Zufrieden darüber, dass er seine Jagd aufgab und nun endgültig selbst zum Gejagten wurde, heftete Alexandra sich ihm an die Fersen. In einigem Abstand folgte sie ihm zurück zur Royal Mile, huschte von Schatten zu Schatten und hielt immer wieder im Schutze einer Mauer oder eines Hauseingangs inne. Ihre Vorsicht war unnötig, denn der Blonde sah sich kein einziges Mal um, blieb nicht stehen und lauschte auch nicht in die Dunkelheit. Du fühlst dich wohl sehr sicher. Umso besser. Solange er keinen Verdacht schöpfte, konnte sie ihm unbemerkt folgen. Mit ein wenig Glück würde er sie geradewegs zu seinem Auftraggeber führen.
    Noch immer fragte sie sich, wer dieser Kerl war – und wer ihn geschickt haben mochte. Abgesehen von den Jägern gab es niemanden in der Stadt, der es auf sie abgesehen haben könnte. Doch Vladimir würde niemals einen Fremden auf sie ansetzen. Noch drängender als die Frage, wer etwas von ihr wollen könnte, war die Frage nach dem Warum .
    Alexandra war kein ängstlicher Mensch. Sie war weder klein noch hilflos. In den letzten Wochen jedoch, seit sie wusste, dass es, abgesehen von Lucian, keine Vampyre mehr gab, hatte sie angenommen, dass das Leben voller Kampf und Gefahren nun endlich hinter ihr lag. Sie hatte gerade begonnen, sich mit dem Gedanken anzufreunden, nicht mehr ständig um ihr Leben fürchten und andauernd auf der Hut sein zu müssen. Festzustellen, dass es doch noch eine Gefahr zu geben schien, ohne zu wissen, worin diese genau bestand, erfüllte sie mit einer Mischung aus Wut und Sorge.
    Als der Blonde den Mary King’s Close verließ und auf die Royal Mile zurückkehrte, verharrte Alexandra im Durchgang und beobachtete aus den Schatten heraus, wie er eine Droschke heranwinkte. Er rief dem Kutscher ein Kommando zu, das sie über dem Rauschen des Regens nicht verstehen konnte, und stieg ein. Kaum war die Tür hinter ihm zu, schwang der Kutscher die Peitsche und trieb sein Ross an.
    Alexandra trat aus dem Durchgang und sah sich um. Die Royal Mile war nahezu verlassen. Nur wenige Fußgänger, die mit schnellen Schritten ihrem Heim oder einem Pub entgegenstrebten, waren noch unterwegs. Sie brauchte ein Gefährt! Da hier keines zu sehen war, rannte sie los. Sie hetzte die Royal Mile hinunter, der Droschke hinterher. Als die Karosse nach rechts in die Blair Street bog, lief Alexandra geradeaus weiter. Der Wind trieb ihr den Regen ins Gesicht. Wasser spritzte aus Pfützen auf und tränkte Stiefel, Hose und Mantelsaum. Wenn sie schnell genug war und an der St. Marys Street eine Droschke fand, konnte sie ihn noch einholen. Mit einem Sprung setzte sie über einen Haufen Unrat hinweg, den jemand auf die Straße gekippt hatte. Auf der anderen Seite kam sie mit dem Absatz auf und geriet auf dem nassen Pflaster ins Rutschen. Sie schlitterte ein Stück, ehe sie ihr Gleichgewicht zurückerlangte und weiterrannte.
    Als sie endlich die St. Marys Street erreichte, war
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