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Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann

Titel: Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann
Autoren: Arnulf: Zitelmann
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Christentum setzt Bote und Botschaft in eins, Jesus repräsentiert Gott selbst. In mythologischer Sprache nennt ihn das
     Neue Testament »Sohn Gottes«. Und Stephanus der Grieche, der erste Märtyrer der Jesus-Bewegung, sieht bei seiner Steinigung
     den Himmel offen und »Jesus zur Rechten Gottes« stehen. Für muslimische Ohren eine unerträgliche Blasphemie. »Ungeheuerlich
     ... die Berge stürzen darüber ein, dass sie dem Erbarmer ein Kind zuschreiben«, heißt es im Koran. Darum korrigiert der Koran
     das Neue Testament. Er gibt Jesus einen Ehrenplatz unter den Propheten, spricht ihm sogar so etwas zu wie eine Jungfrauengeburt
     und eine Art Auferstehung. Aber der Mariensohn ist Gott nicht beigesellt, nicht ebenbürtig, er ist kein Gegenüber Allahs.
     Dieser ist und bleibt, was er je gewesen war oder sein wird: ein Einziger, der über allem ist, dem alles unterworfen bleibt
     und neben dem es nichts anderes gibt. Am Tag des Letzten Gerichts wird Jesus gegen die Christen aussagen, wenn Allah ihn als
     Zeugen aufruft: »O Jesus, Sohn der Maria, hast du zu den Menschen gesprochen: Nehmt mich und meine Mutter als zwei Götter
     neben Allah?« Dann wird er antworten: »Heilig bist du! Nie konnte ich sagen, wozu ich kein Recht hatte.« Das ist die koranische
     Botschaft von Jesus. Doch wie die Muslime nicht ihren Koran, die Juden nicht ihre Tora aufgeben können, so wenig ist es den
     Christen möglich, die Identität von Boten und Botschaft, die Ebenbürtigkeit von Christus und Gott, preiszugeben. Diese Sünde
     der Beigesellung, dieser »Schirk«, wird immer zwischen ihnen und den Muslimen stehen.
    »Gott ist Liebe. Und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm«, heißt es in der Bibel. Ein Sufi-Mystiker
     könnte das mit denselben Worten sagen. Er meint allerdings nicht die Liebe als die Zweisamkeit, sondern als die Einswerdung.
     Darin bleibt der Sufismus dem Koran treu, der nie von Gottes Liebe, jedoch von Allahs Erbarmen spricht. Liebe bedeutet im
     Neuen Testament: sich gegenüber sein. Gott und Mensch, Liebe auf Augenhöhe. Bei Paulus steht der zur Rechten Gottes erhöhte
     Christus stellvertretend für jeden Menschen, sogar für die Schöpfung insgesamt. Durch Jesus rückt die Welt vom Untertanenverhältnis
     zur Partnerschaft Gottes auf. Im Islam ist eine solche Vision unmöglich, undenkbar.
    |202| Der Koran von Ewigkeit zu Ewigkeit
    Das Wort »Koran« bedeutet »Rezitation, Schriftlesung«, frei übersetzt »Botschaft«. Unabänderlich ist jedes seiner Worte, unveränderlich
     ist jeder Buchstabe des Korans. Denn das heilige Buch ist kein Ding wie andere Dinge. Der Koran ist unerschaffen, existiert
     zugleich mit Allah jetzt und immerdar, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Nur vom Koran kann man in Wahrheit sagen, dass er tatsächlich
     real existiert, seine Worte und Buchstaben sind wirklicher als jede andere Wirklichkeit. So gewichtig sind sie, dass nach
     der Überlieferung Muhammads Kamelstute, als diesem im Sattel die fünfte Sure herabgesandt wurde, unter der göttlichen Wortlast
     zusammenbrach.
    Von Ewigkeit zu Ewigkeit existierte Gott nie ohne seine Botschaft, bekennt die islamische Theologie. Durch Muhammad, den Propheten,
     ist sie zu den |203| Menschen gekommen und wirkt als des Höchsten lebendige Gegenwart unter ihnen. Ein frühmittelalterlicher muslimischer Theologe
     schrieb: »Der Koran, Allahs Wort, ist unerschaffen. Aufgezeichnet in unseren Büchern, bewahrt von unseren Herzen, rezitiert
     mit unseren Zungen, gehört von unseren Ohren, ist er doch kein Ding, das ihnen einwohnt.« Das heilige Buch der Muslime ist
     nicht, wie die christliche Bibel, ein geschichtliches Glaubenszeugnis. In jeder Sure ergreift der Ewige hier und heute das
     Wort.
    Viele Muslime können den Koran vom ersten bis zum letzten Wort auswendig
rezitieren.
    |203| Der Koran ist kein Buch mit Anfang, Mitte und Ende. Jede Sure, jeder Satz ist Botenwort, ist ein kompletter Koran, enthält
     das himmlische Buch insgesamt. Im Islam wurde das himmlische Wort zum irdischen Buchstabenwort. Ein Buchstabe des Koran wiegt
     darum mehr als der ganze Wortbestand des Neuen Testaments. Denn die Buchstaben des Koran transportieren Gottes Wort, seine
     Botschaft an die Menschen, im Original-Ton. Auf Arabisch, darum kann der Koran eigentlich auch nicht übersetzt werden. Als
     Übersetzung hört er auf, Gottes Wort zu sein. Er darf in der Moschee darum auch nur in seiner Ursprungssprache zur Verlesung
     kommen.
    In den
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