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Die Weltenwanderer

Die Weltenwanderer

Titel: Die Weltenwanderer
Autoren: Liane Sons
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uns führt. Sollen wir vielleicht deine Eltern darüber informieren, wo du bist?«
    Erik sah ihn längere Zeit an, setzte dabei Erinnerungsfetzen zusammen und schüttelte schließlich den Kopf. »Meine Eltern sind tot. Ich lebe mit meiner älteren Schwester zusammen. Mit ihr und ihrer »Wahrsagerhöhle« bin ich von Kirmes zu Kirmes gezogen. Heute Nacht musste sie plötzlich weg.«
    Er zog geräuschvoll Luft durch die Nase, bevor er fortfuhr: »Ich weiß nicht, warum, und ich weiß nicht, wohin sie will. Ich jedenfalls sollte unbedingt in Waldsee auf sie warten. Warum, weiß ich auch nicht.« Er schluckte und war nahe daran, in Tränen auszubrechen.
    Aeneas rieb sich das Kinn, während er den verstörten Jungen betrachtete. »Das ist eine wirklich seltsame Geschichte. Hat deine Schwester nicht zumindest erwähnt, warum du unbedingt hier warten sollst?«
    Erik schüttelte nur den gesenkten Kopf.
    »Dir ist auch gar nichts aufgefallen, was ihren plötzlichen Aufbruch verursacht haben könnte.«
    Erneutes Kopfschütteln.
    »Möchtest du allein sein, um in Ruhe über alles nachdenken zu können?«
    Diesmal nickte er.
    Van Rhyn erhob sich. »Vielleicht beruhigt es dich etwas, wenn ich dir sage, dass du in Sicherheit und willkommen bist.«
    An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Eine letzte Frage noch: Sagen dir die Begriffe »Rhan« oder »Marú« etwas?«
    Er war nicht erstaunt, als er ein Kopfschütteln erntete.

    Erik starrte eine ganze Weile nur vor sich hin. Das letzte, woran er sich erinnern konnte, war, dass er in Karls Bierzelt ausgeholfen hatte. Er konnte sich daran erinnern, dass er in Waldsee darauf warten sollte, dass Leona ihn wieder abholte. Nur fiel ihm nicht mehr ein, bei welcher Gelegenheit sie ihm das gesagt hatte. Sie musste ihm doch eine Begründung für die Trennung genannt haben. Wieso fiel sie ihm nicht ein? Wie war er hergekommen und wieso hatte sie ihn offensichtlich einfach irgendwo abgestellt?
    Immer und immer wieder stellte er sich diese Fragen und suchte in Erinnerungen nach Antworten. Er fand keine.
    Seine Gedanken wurden durch Klopfen unterbrochen.
    Ein Mädchen mit weißer Schürze, das sich als Hedda vorstellte, brachte ihm ein üppig gefülltes Frühstückstablett.
    Unwillkürlich knurrte sein Magen, was beide lächeln ließ. Während er Brötchen und heiße Schokolade genoss, klopfte es erneut.
    Möbius brachte zwei Reisetaschen und einen Gitarrenkoffer herein.
    »Standen am Straßenrand kurz vorm Tor«, erklärte er. »Möbius geht davon aus, dass sie dem jungen Herrn gehören.«
    »Oh, vielen Dank! Nett, dass Sie sich umgeschaut haben. Das sind tatsächlich meine Sachen.«
    Der Pförtner nickte, runzelte die Stirn, dann nickte er erneut. »Jetzt ist Möbius eingefallen, was noch da war.« Er griff in die Tasche und zog einen Briefumschlag heraus. »Ist ziemlich durchgeweicht. Hoffentlich kannst du den Brief darin noch lesen.«
    Erik bekam prompt Herzklopfen. Das konnten die Antworten auf seine Fragen sein.
    Abgelenkt erwiderte er Möbius’ Abschiedsgruß und zerrte ein Blatt aus dem Umschlag.
    Liebster Erik,
    es tut mir leid, dass ich dich so plötzlich verlassen musste, aber ich muss einige Dinge regeln, die sehr wichtig sind. Ich weiß, dass man sich in Waldsee um dich kümmern wird. Ich bin in Eile und kann dir nicht mit ein paar Worten erklären, warum ich so gehandelt habe. Ich verspreche dir, dich möglichst bald abzuholen. Mach dir keine Sorgen um mich und versuche unter gar keinen Umständen, mich zu finden. Nutze die Zeit, um zu lernen. Man wird dir in Waldsee eine Menge beibringen können.
    In Liebe
    Leona
    Erik ließ den Brief sinken. Antworten waren das nicht gewesen. Trotzdem fühlte er sich etwas leichter. Auch wenn er nicht verstand, »wer« ihm hier »was« beibringen sollte. Er aß noch ein Frühstücksei und beschloss, seine Restmüdigkeit auszuschlafen, bevor er sein vorübergehendes Domizil in Augenschein nahm.

    Die Männerstimme wurde drängender. »Eirik, flieh! Schnell, Junge, schnell! So lauf doch endlich!«
    Er wollte ja laufen, wollte gehorchen, aber er schaffte es nicht mehr. Sein Herz raste, seine Augen brannten. Inmitten undurchdringlicher, grauschwarzer Rauchschwaden hatte er jede Orientierung verloren. Hustend und würgend taumelte er weiter, tastete sich Hand um Hand an der Wand entlang, fand eine Klinke und rüttelte daran. Die Tür war verschossen. Mit aller Kraft warf er sich dagegen. Sie hielt stand. Er wagte nicht, es ein zweites Mal zu
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