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Die Welt ohne uns

Die Welt ohne uns

Titel: Die Welt ohne uns
Autoren: Alan Weisman
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müssen hilflos die Invasion von Ameisen, Kellerasseln, Schaben, Hornissen oder sogar kleinen Säugetieren mitansehen.
    Vor allem aber fürchten Sie, was in anderen Situationen unser Lebenselixier ist: Wasser; denn das versucht, sich überall Zugang zu verschaffen.
    Der Regen holt sich zurück, was wir der Natur genommen haben. Zunächst nimmt er sich das hölzerne Rahmenwerk vor, bei Wohnhäusern der nördlichen Hemisphäre die häufigste Bauweise. Der Prozess beginnt am Dach, wo er es vermutlich mit Bitumen-, Schiefer oder Tondachziegeln zu tun bekommt, deren Garantiezeit von zwanzig bis dreißig Jahren das erste Leck in der unmittelbaren Umgebung des Schornsteins allerdings nicht mehr verhindern kann. Wenn sich das Kehlblech an den nach innen geneigten Dachflächen, wo der Regen zusammenströmt, unter der unablässigen Einwirkung löst, läuft Wasser unter die Schindeln und breitet sich auf den darunterliegenden Schalplatten oder Holzfasern aus.
    Die heutige Bauweise setzt auf leichte Materialien. Einerseits ist nichts dagegen einzuwenden: Wenn wir so kostengünstig und leicht bauen, verbrauchen wir weniger natürliche Ressourcen. Andererseits sind die dicken Bäume, denen die Gebäude aus dem europäischen und japanischen Mittelalter und der amerikanischen Frühzeit ihre Stützstreben und Tragbalken verdanken, selten und kostspielig geworden, sodass uns heute gar nichts anderes übrig bleibt, als kleinere Bretter und Späne zusammenzuleimen.
    Das Kunstharz in Ihrem kostenbewusst gewählten Spanplattendach, ein wasserfester Mix aus Formaldehyd und Phenolpolymeren, wurde auch auf die frei liegenden Kanten der Platten aufgetragen, was gar nichts nützt, weil die Feuchtigkeit in der Umgebung der Nägel eindringt. Schon bald beginnen sie zu rosten und ihren Halt zu verlieren. Das führt nicht nur augenblicklich zu Lecks, sondern auch zu einer fatalen Beeinträchtigung der Stabilität. Abgesehen davon, dass die Platten die Unterlage der Deckung bilden, geben sie sich auch gegenseitig Halt. Die Versteifungen – vorfabrizierte Hölzer, die von Metallverbindungen zusammengehalten werden – haben die Aufgabe, eine Spreizung des Dachstuhls zu verhindern. Doch wenn sich die Verschalung auflöst, geht auch die Stabilität der Konstruktion verloren.
    Da die Schwerkraft auf die Verschalung einwirkt, reißen die Stifte, die die Metallverbindungen halten, aus dem nassen Holz, das jetzt mit einer flaumigen Schicht von grünlichem Schimmelpilz bedeckt ist. Unter dem Schimmel sondern dünne Fäden, sogenannte Hyphen, Enzyme ab, welche Zellulose und Lignin, also das Holz, zu Pilznahrung abbauen.
    Das Gleiche geschieht mit dem Fußboden im Inneren. Wenn die Heizung ausgeht, platzen die Rohre, wenn es im Winter friert, und der Regen weht ins Haus, wo unter dem Aufprall von Vögeln oder dem Druck absackender Mauern die Fenster zersprungen sind. Selbst dort, wo das Glas noch heil ist, finden Regen und Schnee unaufhaltsam ihren Weg unter den Türschwellen ins Haus. Mit fortschreitender Fäulnis brechen die Tragebalken in sich zusammen. Schließlich lehnen sich die Wände zur Seite und das Dach stürzt ein. Ein Scheunendach mit einem 50 Zentimeter großen Loch ist innerhalb von zehn Jahren hin. Ihr Haus hält vielleicht fünfzig, bestenfalls hundert Jahre.
    Während das Unheil seinen Lauf nimmt, treiben Eichhörnchen, Marder und Eidechsen im Inneren des Hauses ihr Unwesen und nagen Nisthöhlen in das Ständerwerk, ohne sich um die Spechte zu kümmern, die der Wand von der anderen Seite zu Leibe rücken. Auch wenn ihnen anfangs die angeblich unverwüstlichen Fassadenverkleidungen aus Aluminium, Vinyl oder den wartungsfreien Zementfaserprofilen das Leben schwer machen, brauchen sie nur ein Jahrhundert zu warten, bis die meisten dieser Werkstoffe am Ende sind. Die ursprüngliche Farbimprägnierung ist fast verschwunden. Während das Wasser sich unaufhaltsam seinen Weg in Schnittkanten hinein sucht und durch die Löcher sickert, die einst Nägel füllten, machen sich Bakterien über die organischen Bestandteile der Baustoffe her und lassen nur die Mineralien zurück. Abgefallene Vinylverkleidungen, deren Farben schon früh verblassten, sind jetzt spröde und brüchig, da ihre Weichmacher abgebaut sind. Das Aluminium hat sich besser gehalten, doch dort, wo sich auf seiner Oberfläche salzhaltiges Wasser sammelt, frisst dieses langsam kleine Löcher, in denen eine körnige weiße Schicht zurückbleibt.
    Jahrzehntelang sind Ihre stählernen
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