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Die Welt ohne uns

Die Welt ohne uns

Titel: Die Welt ohne uns
Autoren: Alan Weisman
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Heizungszüge und Kühlschächte, auch als sie den Elementen ausgesetzt waren, durch die Verzinkung geschützt gewesen. Doch in gemeinsamer Anstrengung ist es Feuchtigkeit und Luft gelungen, sie in Zinkoxid zu verwandeln. Sobald die Verzinkung zerfressen ist, zerfällt das ungeschützte dünne Stahlblech in wenigen Jahren. Schon lange zuvor sind die wasserlöslichen Bestandteile des Rigips im Erdreich versickert. Bleibt nur noch der Schornstein, wo der ganze Ärger begann. Nach einem Jahrhundert steht er zwar noch immer, doch seine Ziegel fallen nach und nach herab und zerbrechen, weil der Kalkmörtel unter dem Einfluss der Temperaturschwankungen bröckelig wird und zu Staub zerfällt.
    Wenn Sie stolzer Besitzer eines Swimmingpools waren, so hat er sich jetzt in einen Blumenkasten verwandelt, wo entweder die Aussaat jener Ziersträucher und Bäume wächst, die einst nur Ihren Garten schmückten, oder heimische Laubhölzer, an den Rand der Siedlung abgedrängt, die dort auf ihre Chance zur Rückeroberung des Terrains lauerten. Wenn das Haus über einen Keller verfügt, so füllt sich auch dieser mit Erde und Pflanzenleben. Brombeersträucher und Wilder Wein ranken an stählernen Gasleitungen empor, die zu Rost zerfallen sein werden, bevor ein weiteres Jahrhundert verstrichen ist. Die weißen PVC--Rohre in Bad und Küche haben eine gelbliche Färbung angenommen und sind an der lichtzugekehrten Seite dünn geworden. Dort ist das Chlorid zu Salzsäure verwittert, die nun sich selbst und das Polyvinyl in ihrer Nähe auflöst. Nur die Kacheln im Badezimmer sind relativ unverändert, da gebrannte Keramik ähnliche chemische Eigenschaften hat wie Fossilien – auch wenn die Kacheln nun, mit faulendem Laub vermischt, am Boden liegen.
     
    Was nach 500 Jahren noch vorhanden ist, hängt davon ab, an welchem Ort der Welt Sie leben. War das Klima gemäßigt, befindet sich ein Wald an der Stelle der Vorstadt; von einigen Hügeln abgesehen, ähnelt er allmählich wieder dem Ort, der er war, bevor sich die Stadtplaner darüberhermachten. Zwischen den Bäumen, halb verborgen unter dem sprießenden Unterholz, liegen die Aluminiumteile von Geschirrspülern und Kochtöpfe aus Edelstahl, deren Kunststoffgriffe rissig geworden, aber noch stabil sind. Im Laufe der kommenden Jahrhunderte wird sich – obwohl es kein Werkstoffprüfer mehr erfahren wird – endlich erweisen, wie lange es dauert, bis Aluminium korrodiert und zerfällt: Aluminium ist ein relativ neues Material, das den Frühmenschen unbekannt war – sein Grundstoff muss elektrochemisch bearbeitet werden, um das Metall zu gewinnen.
    Die Chromlegierungen, die dem Edelstahl seine Elastizität verleihen, werden diese Aufgabe wahrscheinlich noch einige Jahrtausende lang erfüllen, vor allem wenn die Töpfe, Pfannen und Bestecke aus Kohlenstoff--Stahl unter Sauerstoffabschluss begraben liegen. Sollte irgendwer in hunderttausend Jahren diese Dinge ausgraben, wird ihn die Entdeckung so gebrauchsfertiger Werkzeuge unvermittelt auf eine höhere Evolutionsstufe katapultieren. Die Erkenntnis, diese wunderbaren Objekte nicht nachbauen zu können, wird sicherlich eine niederschmetternde Enttäuschung sein – oder in ihrer Rätselhaftigkeit der Ansatzpunkt einer neuen Religion.
    In den Gegenden der Erde mit trockenem und heißem Klima werden die Kunststoffbestandteile des modernen Lebens rascher zerbröckeln, da die Polymerketten unter dem fortwährenden Beschuss von Ultraviolettstrahlung zerfallen. Angesichts geringerer Feuchtigkeit ist Holz dort haltbarer, während alle Metallteile, die mit den salzigen Wüstenböden in Berührung kommen, schneller rosten. Nun lassen römische Ruinen aber vermuten, dass dickes Gusseisen noch in den archäologischen Funden einer fernen Zukunft vertreten sein könnte, daher dürfte eines Tages der seltsame Anblick von Hydranten, die zwischen Kakteen aus dem Boden ragen, zu den wenigen Hinweisen gehören, dass es hier einmal Menschen gab. Wenn Backsteine und Rigipswände längst der Erosion zum Opfer gefallen sind, werden die schmiedeeisernen Balkon- und Fenstergitter, die sie einst schmückten, immer noch erkennbar sein, wenn auch löchrig wie Tüll: Der Rost, der sich durch das Eisen frisst, lässt nur dessen kristallines Gerüst zurück.
     
    Früher errichteten wir unsere Gebäude oft auch aus den dauerhaftesten Stoffen, die wir kannten: Granitblöcken zum Beispiel. Die Ergebnisse sind noch heute Gegenstand unserer Bewunderung, doch wir machen inzwischen
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