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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
Autoren: Arthur Schopenhauer
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dessen Verdienste um die Philosophie zu leugnen ich nicht gesonnen bin, wiewohl mich in die Monadologie, prästabilirte Harmonie und identitas indiscernibilium eigentlich hineinzudenken, mir nie hat gelingen wollen. Seine Nouveaux essays sur l'entendement aber sind bloß ein Excerpt, mit ausführlicher, auf Berichtigung abgesehener, jedoch schwacher Kritik des mit Recht weltberühmten Werkes Locke's , welchem er hier mit eben so wenig Glück sich entgegenstellt, wie, durch sein gegen das Gravitationssystem gerichtetes Tentamen de motuum coelestium causis , dem Neuton . Gegen diese Leibnitz-Wolfische Philosophie ist die Kritik der reinen Vernunft ganz speciell gerichtet und hat zu ihr ein polemisches, ja, vernichtendes Verhältniß; wie zu Locke und Hume das der Fortsetzung und Weiterbildung. Daß heut zu Tage die Philosophieprofessoren allseitig bemüht sind, den Leibnitz , mit seinen Flausen, wieder auf die Beine zu bringen, ja, zu verherrlichen, und andererseits Kanten möglichst gering zu schätzen und bei Seite zu schieben, hat seinen guten Grund im primum vivere : die Kritik der reinen Vernunft läßt nämlich nicht zu, daß man Jüdische Mythologie für Philosophie ausgebe, noch auch, daß man, ohne Umstände, von der »Seele« als einer gegebenen Realität, einer wohlbekannten und gut ackreditirten Person, rede, ohne Rechenschaft zu geben, wie man denn zu diesem Begriff gekommen sei und welche Berechtigung man habe, ihn wissenschaftlich zu gebrauchen. Aber primum vivere, deinde philosophari ! Herunter mit dem Kant, vivat unser Leibnitz ! – Auf diesen also zurückzukommen, kann ich der Theodicee, dieser methodischen und breiten Entfaltung des Optimismus, in solcher Eigenschaft, kein anderes Verdienst zugestehn, als dieses, daß sie später Anlaß gegeben hat zum unsterblichen Candide des großen Voltaire ; wodurch freilich Leibnitzens so oft wiederholte, lahme Exküse für die Uebel der Welt, daß nämlich das Schlechte bisweilen das Gute herbeiführt, einen ihm unerwarteten Beleg erhalten hat. Schon durch den Namen seines Helden deutete Voltaire an, daß es nur der Aufrichtigkeit bedarf, um das Gegentheil des Optimismus zu erkennen. Wirklich macht auf diesem Schauplatz der Sünde, des Leidens und des Todes der Optimismus eine so seltsame Figur, daß man ihn für Ironie halten müßte, hätte man nicht an der von Hume , wie oben erwähnt, so ergötzlich aufgedeckten geheimen Quelle desselben (nämlich heuchelnde Schmeichelei, mit beleidigendem Vertrauen auf ihren Erfolg) eine hinreichende Erklärung seines Ursprungs.
    Sogar aber läßt sich den handgreiflich sophistischen Beweisen Leibnitzens , daß diese Welt die beste unter den möglichen sei, ernstlich und ehrlich der Beweis entgegenstellen, daß siedle schlechteste unter den möglichen sei. Denn Möglich heißt nicht was Einer etwan sich vorphantasiren mag, sondern was wirklich existiren und bestehn kann. Nun ist diese Welt so eingerichtet, wie sie seyn mußte, um mit genauer Noth bestehn zu können: wäre sie aber noch ein wenig schlechter, so könnte sie schon nicht mehr bestehn. Folglich ist eine schlechtere, da sie nicht bestehn könnte, gar nicht möglich, sie selbst also unter den möglichen die schlechteste. Denn nicht bloß wenn die Planeten mit den Köpfen gegen einander rennten, sondern auch wenn von den wirklich eintretenden Perturbationen ihres Laufes irgend eine, statt sich durch andere allmälig wieder auszugleichen, in der Zunahme beharrte, würde die Welt bald ihr Ende erreichen: die Astronomen wissen, von wie zufälligen Umständen, nämlich zumeist vom irrationalen Verhältniß der Umlaufszeiten zu einander, Dieses abhängt, und haben mühsam herausgerechnet, daß es immer noch gut abgehn wird, mithin die Welt so eben stehn und gehn kann. Wir wollen, wiewohl Neuton entgegengesetzter Meinung war, hoffen, daß sie sich nicht verrechnet haben, und mithin das in so einem Planetensystem verwirklichte mechanische perpetuum mobile nicht auch, wie die übrigen, zuletzt in Stillstand gerathen werde. – Unter der festen Rinde des Planeten nun wieder hausen die gewaltigen Naturkräfte, welche, sobald ein Zufall ihnen Spielraum gestattet, jene, mit allem Lebenden darauf, zerstören müssen; wie dies auf dem unserigen wenigstens schon drei Mal eingetreten ist und wahrscheinlich noch öfter eintreten wird. Ein Erdbeben von Lissabon, von Haity, eine Verschüttung von Pompeji sind nur kleine, schalkhafte Anspielungen auf die Möglichkeit. – Eine
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