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Die Weisse Massai

Die Weisse Massai

Titel: Die Weisse Massai
Autoren: Corinne Hofmann
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nächstmöglichen Flug für mich und mein eineinhalbjähriges Mädchen nach Zürich. Es dauert eine Weile, bis ich die Auskunft erhalte, in vier Tagen sei noch Platz frei. Mir ist klar, daß telefonische Buchungen von Privatpersonen nicht möglich sind, doch ich bitte die Dame eindringlich, mir die Plätze zu reservieren. Ich könne erst einen Tag vor Abflug die Tickets abholen und bezahlen. Aber es sei sehr wichtig, und ich käme auf jeden Fall. Mein Herz klopft bis zum Hals, als ich ihr »okay« entgegennehme.
    Langsam kehre ich zum Shop zurück und sage ohne Umschweife, daß ich ferienhalber in die Schweiz fliege. Lketinga lacht zuerst unsicher, um dann zu erklären, ohne Napirai könne ich gehen, so sei er sicher, daß ich wiederkomme. Müde erwidere ich, daß mein Kind mit mir fliegt. Ich komme wieder, wie immer, aber ich brauche nach dem Shop-Streß Erholung, bevor die Hochsaison im Dezember beginnt. Lketinga ist nicht einverstanden und will mir auch keine Ausreiseerlaubnis unterschreiben. Trotzdem packe ich zwei Tage später. Priscilla und auch Sophia sprechen mit ihm. Alle sind überzeugt, ich komme wieder.

Flucht
    Am letzten Tag lasse ich alles zurück. Mein Mann will, daß ich nur wenige Sachen für Napirai einpacke. Ich gebe ihm alle Kontokarten der Bank, damit er sieht, daß ich wiederkommen muß. Wer gibt schon freiwillig so viel Geld, einen Wagen und ein voll eingerichtetes Geschäft auf?
    Hin- und hergerissen, ob er es glauben soll oder nicht, begleitet er Napirai und mich nach Mombasa. Kurz vor unserer Abfahrt nach Nairobi hat er immer noch nicht unterschrieben. Zum letzten Mal bitte ich ihn, denn fahren werde ich auf jeden Fall. Ich bin innerlich so ausgebrannt, so gefühllos, daß keine Träne mehr kommt.
    Der Fahrer startet den Motor. Lketinga steht neben uns im Bus und läßt sich von einem Mitreisenden zum wiederholten Mal mein beschriebenes Blatt übersetzen, auf dem zu lesen ist, daß ich die Erlaubnis meines Mannes, Lketinga Leparmorijo, habe, Kenia gemeinsam mit unserer Tochter Napirai für drei Wochen Urlaub in der Schweiz zu verlassen.
    Der Busfahrer hupt zum dritten Mal. Lketinga kritzelt sein Zeichen auf das Papier und sagt: »I don’t know, if I see you and Napirai again!« Dann springt er aus dem Bus, und wir fahren los. Erst jetzt rollen meine Tränen. Ich schaue aus dem Fenster und verabschiede mit jedem Blick die vorbeiziehenden, vertrauten Bilder.

Lieber Lketinga,

    hoffentlich kannst Du mir verzeihen, was ich Dir jetzt mitteilen muß. Ich komme nicht zurück nach Kenia.
    Inzwischen habe ich viel über uns nachgedacht. Vor mehr als dreieinhalb Jahren habe ich Dich so sehr geliebt, daß ich bereit war, mit Dir in Barsaloi zu leben. Ich habe Dir auch eine Tochter geschenkt. Aber seit dem Tag, an dem Du mir vorgeworfen hast, daß dieses Kind nicht von Dir ist, habe ich nicht mehr dasselbe für Dich empfunden. Auch Du hast dies bemerkt.
    Nie habe ich jemanden anderen gewollt und habe Dich nie belogen. Aber in all diesen Jahren hast Du mich nie verstanden, vielleicht auch deshalb, weil ich eine »Mzungu« bin. Meine Welt und Deine Welt sind sehr verschieden, doch ich dachte, eines Tages stehen wir zusammen in der gleichen.
    Aber jetzt, nach der letzten Chance, die wir in Mombasa hatten, sehe ich ein, daß Du nicht glücklich bist und ich erst recht nicht. Wir sind immer noch jung und können nicht so weiterleben. Im Moment wirst Du mich nicht verstehen, doch nach einiger Zeit wirst auch Du sehen, daß Du mit jemandem anderen wieder glücklich wirst. Für Dich ist es leicht, eine neue Frau zu finden, die in der gleichen Welt lebt. Aber suche jetzt eine Samburu-Frau, nicht wieder eine Weiße, wir sind zu verschieden. Du wirst eines Tages viele Kinder haben.
    Ich habe Napirai mit mir genommen, denn sie ist das einzige, was mir geblieben ist. Auch weiß ich, daß ich nie mehr Kinder haben werde. Ohne Napirai könnte ich nicht überleben. Sie ist mein Leben! Bitte, bitte Lketinga, vergib mir! Ich bin nicht länger stark genug, um in Kenia zu leben. Dort war ich immer sehr allein, hatte niemanden, und Du hast mich wie eine Verbrecherin behandelt. Du merkst es selber nicht, denn dies ist Afrika. Noch einmal sage ich Dir, ich habe nie etwas Unrechtes getan.
    Nun mußt Du überlegen, was Du mit dem Shop machen willst. An Sophia schreibe ich ebenfalls, sie kann Dir helfen. Ich schenke Dir das ganze Geschäft. Aber wenn Du es verkaufen willst, mußt Du mit Anil, dem Inder, verhandeln.
    Von hier
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