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Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)

Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)

Titel: Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)
Autoren: Frank Wittig
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Medizinischen Fachgesellschaften und die Leitlinien, die von diesen Fachgesellschaften verfasst werden. In diesen Leitlinien wird definiert, was eine behandlungsbedürftige Krankheit ist und wie sie zu behandeln ist. Es werden Grenzwerte definiert, die darüber entscheiden, ob ich zwei oder fünf Millionen Deutsche zu meinen Patienten zählen darf.
    Hier geht es um Milliardenumsätze. Die Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften sind die Vertreter eines Berufsstandes. Sie definieren die Leitlinien so, dass es den Mitgliedern des Berufsstandes gut geht. Das brauchen wir aber nicht. Stattdessen brauchen wir Leitlinien, die das Wohl der Patienten als Ziel haben.
    Leitlinien müssen von unabhängigen medizinischen Sachverständigen erstellt werden. Sachverständige, die nicht von den Mitgliedern der Fachgesellschaft aus ihrem ehrenvollen Amt geschmissen werden, wenn sie die Leitlinien nach den neuesten medizinischen Erkenntnissen überarbeiten. Sachverständige, denen es egal sein kann, wenn durch die Anpassung der Leitlinien an den aktuellen wissenschaftlichen Stand eine Butter-und-Brot-Operation beispielsweise bei den Orthopäden wegfällt und 70 000 Knieoperationen pro Jahr weniger durchgeführt werden müssen. Das mag für die Orthopäden bitter sein. Da heißt es Kapazitäten abbauen. In anderen Bereichen gibt es so etwas aber auch. Man nennt es Strukturwandel. Schreibmaschinenhersteller mussten Werke schließen, als Computer und Drucker den Markt der Schreibmaschinen übernahmen. Arbeiter mussten sich andere Jobs suchen. Da sehe ich nicht, warum ausgerechnet Orthopäden ein ewig verbrieftes Recht haben sollten, Knieknorpel zu glätten. Oder was meinen Sie?
    Erschwerend kommt hinzu, dass die Cracks der jeweiligen medizinischen Fachgesellschaften naturgemäß enge Kontakte zur Industrie haben. Über Forschungsaufträge, die Drittmittel und Ansehen bringen, bugsiert die Industrie jene Mediziner nach vorne, die ihr und ihren Produkten gewogen sind. Die Industrie setzt diese Sympathisanten auch auf die Rednerlisten der medizinischen Fachkongresse, die von ihr finanziert werden. Mit Preisen und Auszeichnungen werden die Karrieren dieser industriefreundlichen Mediziner befördert. Und ebendiese Mediziner befinden sich bevorzugt in den Chefetagen der Fachgesellschaften und/oder arbeiten die Leitlinien aus. Auch das bürgt nicht dafür, dass die Leitlinien objektiv und maximal auf das Wohl der Patienten ausgerichtet sind. Die angeblich Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften sind kein taugliches Gremium, um die medizinischen Disziplinen mit Leitlinien zu versorgen, die sich am aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand und am Patientenwohl orientieren. Leitlinien müssen von unabhängigen Fachleuten formuliert werden.
4. DRG-System reformieren
    Extremen Handlungsbedarf gibt es auch beim DRG-System, nach dem Krankenhäuser ihre Leistungen gegenüber der Kasse abrechnen (Kap. 2.2). Sicher gab es einige wohlmeinende Fachleute, die sich an der Einführung dieses Systems in dem Glauben beteiligt haben, Sachlichkeit und Transparenz würden damit im deutschen Krankenhauswesen Einzug halten. Doch im Wesentlichen halte ich das DRG-System für einen Coup der weißen Mafia. Schon ein Blick auf das Ausland, in dem das DRG-System teilweise seit über 20 Jahren praktiziert wird, hätte zeigen können, dass dieses vor allem eines produziert: Überbehandlung. Wenn nur noch streng nach Leistung abgerechnet werden darf, wenn ich ausschließlich für die Aufwendung medizinischer Leistungen bezahlt werde, dann werde ich als Krankenhaus so viele und so aufwendige Leistungen erbringen, bis ich am Ende auf meinen Schnitt komme. Da aber nicht plötzlich mehr Patienten da sind als vorher und die Patienten auch nicht plötzlich kränker sind als vorher, werde ich mehr Gesunde behandeln, und ich werde die Kranken aufwendiger behandeln, als es medizinisch nötig ist. Frei nach dem Motto »Ihr bezahlt nur für Leistung? Dann bekommt ihr sie«.
    Als Schüler und Student habe ich in Ferienjobs in der Industrie gearbeitet. Auch am Fließband. Im Akkord. Sie kennen das. Da wird pro Stück bezahlt. Das hat zur Folge, dass sich die ganze Mannschaft besonders anstrengt und mehr als die üblichen 100 Prozent schafft. 130 bis 135 Prozent. Das waren damals unsere typischen Zielmarken und in der Industrie macht das auch Sinn. In der Medizin – im Krankenhaus – ist die Bezahlung streng nach »Stückzahl« Irrsinn. Stellen Sie sich vor:
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