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Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)

Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)

Titel: Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)
Autoren: Frank Wittig
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Sie werden in Ihrem Krankenhaus auch auf 135 Prozent behandelt. Das ist grotesk!
    Wir müssen eine andere Art der Krankenhausfinanzierung finden. Aber vor allem müssen wir Kapazitäten abbauen. (Man denke an Norwegen!) Wenn weniger Krankenhäuser da sind, haben die Krankenhäuser auch genügend echte Kranke. Beziehungsweise: genügend Kranke, die auch tatsächlich so krank sind, dass sie in einem Krankenhaus behandelt werden müssen. In den Krankenhäusern ist man dann nicht »gezwungen«, 135-Prozent-Medizin zu leisten, um am Ende des Jahres eine schwarze Null zu schreiben. Vielleicht gibt es dann die Möglichkeit, feste Sätze für Krankenhäuser zu definieren, die sich nach ihrem Einzugsgebiet und ihrem Angebot richten. Dann ist klar: Es gibt nicht mehr Geld, wenn mehr behandelt wird. Das müsste für Ruhe sorgen, denn der Anreiz zur Überbehandlung fiele weg.
5. Forschung zur Effektivität etablierter Behandlungsmodelle
    Noch ein weiteres Feld möchte ich anführen, auf dem wir dringend eine grundlegende Veränderung unserer medizinischen Kultur brauchen: Studien zu etablierten Verfahren. Wer wäre vor der Studie von Bruce Moseley darauf gekommen, das so plausible Prinzip der Knorpelglättung im Knie zur Schmerzbehandlung infrage zu stellen? Solche Studien gibt es viel zu selten. Weil sie etablierte Geschäftsmodelle infrage stellen. Heute laufen junge Mediziner und Medizinerinnen Gefahr, sich ihre Karrieren zu verbauen, wenn sie solche Studien betreiben wollten. Das medizinische Establishment toleriert eine Überprüfung »bewährter« Verfahren nicht. Es könnte sich ja herausstellen, dass jahrzehntelang falsch behandelt wurde. Wie peinlich. Und womit beschäftigen wir unsere Mediziner jetzt?
    Viel schlimmer ist es jedoch, mit falschen Behandlungen unbeirrt fortzufahren. Nur ein Bruchteil der chirurgischen Interventionen ist bisher durch wissenschaftliche Untersuchungen überprüft worden. Das muss sich ändern.
6. Unabhängige Studien fördern
    Die Untersuchung etwa von Medikamentenstudien, die im Auftrag der Hersteller durchgeführt wurden, zeigt, dass diese in der Regel überoptimistisch sind. Das heißt, dass die Medikamente in diesen Studien bessere Noten bei der Wirksamkeit und im Nebenwirkungsprofil bekommen als in unabhängigen Studien. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, woran das liegt. Vom selektiven Publizieren – nur Studien mit positivem Ausgang werden veröffentlicht – über Gefälligkeitsmanipulationen durch Studienleiter, die auch in Zukunft diese lukrativen Aufträge von der Industrie haben möchten, bis hin zu klaren Vorgaben durch den Auftraggeber, wie die Ergebnisse auszusehen haben, ist alles am Markt vertreten. Das sind keine Kavaliersdelikte. Schließlich verzerrt diese Manipulation die wissenschaftliche Datenbasis, aufgrund deren weltweit über den Einsatz von Pharmazeutika entschieden wird.
    Da dies nachweislich der Fall ist, muss die Politik hier andere Rahmenbedingungen schaffen. Wie wäre es mit der Verpflichtung, dass die pharmazeutische Industrie 20 Prozent ihres Marketingbudgets in einen Fonds einzahlt, aus dem unabhängige Studien finanziert werden? Unabhängige Kontrollinstanzen wie das Cochrane-Netzwerk müssten mit der Überprüfung dieser Studien betraut werden. Eine hundertprozentige Gewährleistung von Objektivität im Studiengeschäft wird sicher niemals erreicht werden. Die weiße Mafia wird Mittel und Wege suchen, auch in einem solchen System die Daten zu ihren Gunsten zu manipulieren. Aber zumindest wäre ihrem Desinformationsgeschäft nicht dermaßen Tür und Tor geöffnet, wie es derzeit der Fall ist.
7. Verpflichtende Studienregister einführen
    Ein Schritt in diese Richtung wäre auch schon getan, wenn es uns in Europa endlich gelänge, verpflichtende, öffentlich einsehbare Register für klinische Studien einzurichten. Jede medizinische Studie müsste dort vor ihrem Beginn registriert werden. Studiendesign und »Endpunkte« – also Zielgrößen – müssten exakt erläutert werden. Und jede dieser Studien sollte zeitnah nach ihrem Abschluss veröffentlicht werden. Das wäre eine effektive Maßnahme im Kampf gegen selektives Publizieren und das nachträgliche Ändern von Zielgrößen oder Studiendesigns – und ein großer Fortschritt auf dem Weg zu einer sauberen Datenbasis für eine realistische Bewertung der Wirksamkeit von Pharmazeutika.
8. Breite gesellschaftliche Diskussion anstoßen
    Im Vorwort hatte ich angekündigt, dass ich am Ende
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