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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde
Autoren: Michail Bulgakow
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sprang ein bläulicher Lichtkonus, in dem man sah, daß die Bretterwand von außen abgerissen und flüchtig wieder angenagelt worden war.
    »Weiß Gott, ich würde die Halunken gerne abschießen. Setzen wir uns doch heute nacht hier auf Wache! Ich weiß, das sind die Schuhmacher aus Nummer elf. Diese Schurken! Dabei haben sie mehr Holz als wir.«
    »Laß sie. Komm, faß an.«
    Das rostige Schloß quietschte, Schnee fiel vom Dach auf die Brüder, sie trugen das Holz in die Wohnung. Um neun konnte man die Kacheln schon nicht mehr anfassen.
    Der herrliche Ofen hatte auf seinen blendendweißen Kacheln folgende historische Inschriften und Zeichnungen, draufgetuscht zu verschiedenen Zeiten des Jahres achtzehn von Nikolka und erfüllt von tiefem Sinn und Bedeutung:

    Wenn man dir sagt, die Verbündeten würden uns zu Hilfe eilen, glaube es nicht. Die Verbündeten sind Schurken.
    Er sympathisiert mit den Bolschewiken.

    Eine Zeichnung: Die Fratze von Momus.
    Unterschrift:
    »Der Ulan Leonid Jurjewitsch.«

    Schreckliches Gerücht im Lande:
Zieht heran die rote Bande!

    Eine farbige Zeichnung: Ein schnauzbärtiger Kopf mit einer Papacha, von deren Spitze ein langer blauer Schwanz hängt.
    Unterschrift:
    »Nieder mit Petljura!«

    Jelena und die alten zärtlichen Jugendfreunde der Turbins, Myschlajewski, Karausche und Scherwinski, hatten mit Farben, Tusche, Tinte und Kirschsaft geschrieben:
    Jelena liebt uns alle sehr,
den einen noch, den andern nicht mehr.

    Jelena, ich habe Karten für »Aida«
1. Rang, Loge 8, rechts.

    Am 12. Mai 1918 habe ich mich verliebt.

    Sie sind dick und häßlich.

    Jetzt bleibt mir nur eines – Selbstmord.
    (Darunter war, gut getroffen, ein Browning gezeichnet.)
    Es lebe Rußland!
Es lebe die Monarchie!

    Juni. Barkarole.
    Und nicht umsonst gedenkt ganz Rußland
des Heldentags von Borodino.
    Mit Druckbuchstaben hatte Nikolka darunter geschrieben:

    Ich befehle nachdrücklich, kein unnützes Zeug auf den Ofen zu kliern. Bei Zuwiderhandlung droht jedem Genossen Erschießung nebst Entzug der bürgerlichen Rechte. Der Kommissar des Stadtbezirks Podol. Damen-, Herren- und Frauenschneider Abram Prushiner
    30. Januar 1918

    Die bemalten Kacheln verstrahlten Hitze, die schwarze Uhr ging wie vor dreißig Jahren: ticktack. Der ältere Turbin – blond, glattrasiert, seitdem 25. Oktober 1917 finster und gealtert – lag in einem Uniformrock mit riesigen Taschen, in blauer Reithose und neuen weichen Schuhen im Sessel – seine Lieblingsstellung. Zu seinen Füßen saß auf einer Fußbank Nikolka mit seinem Haarwirbel, die Beine fast bis zum Büfett ausgestreckt – das Eßzimmer war klein. An den Füßen hatte er Schnallenstiefel. Seine Freundin, die Gitarre, sang zärtlich und dumpf: »Trrrum.« So unbestimmt – »trrrum«, denn, sehen Sie, vorläufig wußte man nichts Bestimmtes. Unruhig, nebelhaft, schlimm war es in der STADT.
    Auf den Schultern hatte Nikolka Unteroffiziersklappen mit weißer Litze und auf dem linken Ärmel einen dreifarbigen Winkel. (Erstes Infanteriebataillon, dritte Kompanie. Es wird in Anbetracht der herannahenden Ereignisse schon den vierten Tag neu aufgestellt.)
    Aber ungeachtet aller Ereignisse ist es im Eßzimmer eigentlich sehr schön. Warm, gemütlich, die cremefarbenen Vorhänge zugezogen. Die Ofenhitze macht die Brüder träge.
    Der Ältere legt das Buch zur Seite und reckt sich.
    »Spiel doch mal die ›Aufnahme‹.«
    Trum-ta-tam-ta … Trum-ta-tam-ta …
    »Schicke Stiefel,
flotte Mützen,
Junkeringenieure marschieren!«
    Der Ältere fällt ein. Seine Augen sind finster, aber in ihnen flammt ein Fünkchen auf, das Blut pulsiert schneller. Doch leiser, meine Herren, leiser, leiser.
    »Seid gegrüßt, ihr Sommerfrischler,
seid gegrüßt, ihr schönen Fraun …«
    Die Gitarre spielt einen Marsch, im Takt der Saiten marschiert die Ingenieurkompanie – eins, zwei! Vor Nikolkas Augen tauchen Erinnerungen auf:
    Die Infanterieschule. Die abgebröckelten Alexandersäulen, die Geschütze … Junker kriechen auf dem Bauch von Fenster zu Fenster und erwidern das Feuer. In den Fenstern stehen Maschinengewehre.
    Eine Wolke von Soldaten belagert die Schule, eine wahre Wolke. Was tun? General Bogorodizki, eingeschüchtert, ergibt sich, ergibt sich zusammen mit den Junkern. Diese Schande …
    »Seid gegrüßt, ihr Sommerfrischler,
seid gegrüßt, ihr schönen Fraun,
längst begann die Geländevermessung.«
    Auf Nikolkas Augen legt sich ein Schleier.
    Hitzewellen über den
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