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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj
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aber, Henriette, war in überzeugender Weise dahin und vorbei, eindringlicher vergangen noch als die verlängerten Schulwege, die kleine weiße Blume in der Vase. Es kitzelte und spannte die heilende Zeitwunde unter dem Verband der Monate, als würden Fäden herausgezogen, als sollte sie nun von selbst schon Zusammenhalten und verheilt sein. So begriff Zdenko endlich und wie noch nie, daß er verhoben war, anderswo sich befand, jenseits. Und immer noch rührten sich leises Sträuben und Ungläubigkeit in ihm. Er wollte die Hand nicht öffnen. Würde man nicht, in ein paar Tagen schon, wieder Tennis spielen im Clayton’schen Garten? Waren nicht Fritz und Heribert eben jetzt dort, mit dem dicken Augustus, und der alte Engländer mit Monica auf der Terrasse? Wie denn anders?
    Merkwürdig, dennoch, er glaubte das alles nicht. Von hier aus sah’s anders aus, er wußte es besser. Es gab den Tennisplatz so wenig mehr wie die Frau Henriette und den M.C. und die kleine Vase mit der Nelke.
    Und nur, weil er die Tante Ada hierher nach Vanice hatte begleiten müssen? Er würde doch nach wenigen Tagen wieder in Wien und im Gymnasium sein? Nein, keinesfalls deshalb, weil er hierher gefahren war. Sondern die Reise war erfolgt, weil alles schon zu Ende gehen wollte, nicht nur der M.C., auch das Tennis.
    A m letzten Vormittage ritten Zdenko und Ivo zu den Wasserfällen von Slunj, als der größten Sehenswürdigkeit der Umgebung. Der Weg war nicht weit. Etwa zwanzig Minuten im Trabe, zum Teil durch Laubwald.
    In’s letzte Drittel etwa des Weges einreitend war’s, daß Ivo sein Pferd verhielt – Zdenko tat ein gleiches – und, den Finger lauschend auf die Lippen gelegt, damit Schweigen bedeuten und erbitten wollte.
    In der Tat hörten sie hier schon die Fälle, und das dumpfe Geräusch schien als ein schwaches Rumoren aus dem Erdboden zu kommen. Auf die Pferde wirkte das augenscheinlich nicht. Die standen ruhig. Das Pferd ist für Plötzlichkeiten am meisten anfällig. Dies hier war nichts weniger als plötzlich. Es wäre vielleicht schon früher hörbar gewesen, hätten sie anhalten mögen. Es gehörte zur Gegend, es war immer da und lag mit den Sonnenkringeln am Grunde des Laubwalds so ruhig wie der blaue Himmel über den Kronen.
    Aber auf Zdenko wirkte mächtig der tiefe stehende Ton, und Zdenko war es, der, wenn auch nur figürlich, die Ohren zurücklegte, und nicht sein Reitpferd, das dazu ohne weiteres und wirklich befähigt gewesen wäre. Ihm war plötzlich, als sollte jetzt viel mehr noch sichtbar werden als ein bekannter Wasserfall, als ritte er einer Entschlüsselung oder Aufdeckung entgegen, ja, dem größten und eigentlichen Abenteuer seines Lebens.
    So erfüllt trieb er sein braunes Pferd wieder an, blieb jedoch im Schritte, was den Ivo oder Pista etwas verwundern mochte. Aber in Zdenko war jetzt nichts weniger als Neugier lebendig und keinerlei Bestreben, rasch an ein Ziel zu gelangen, wo jene befriedigt werden mochte. Sondern, wonach er nun heftig begehrte und strebte, das war die Sammlung. Ohne des Burschen neben ihm irgend zu achten, versank er in diese jetzt und hier gehenden Minuten, sah die Sonne auf dem gefleckten Wege, den Himmel über den Baumkronen, hörte den tiefen Ton, der zu einem bloßen Teile dieser Landschaft und Gegenwart für ihn geworden war.
    Man kann sagen, er verhielt sich souverän. Sein Verhalten war zugleich ein völliges Verhalten jeder automatischen Hingegebenheit an das, was die Stunde feil als naheliegend heranbrachte, um ihn damit zu überschwemmen und auszufüllen. Er aber suchte nicht diese Stunde, sondern mehr, und versuchte in diese Stunde hereinzuziehen, alles, was er gewesen war und was er gehabt hatte.
    Was natürlich nicht gelang. Dennoch ritt er im Schritte weiter. Auch bei solcher langsamer Gangart wurde allmählich der Fälle Mahlen und Rumoren deutlicher, und schon ward’s ein Brausen, und schien nicht mehr aus der Erde zu kommen, sondern lag, wenn auch noch weit entfernt, dem Ritte voraus.
    Jetzt sprengte Zdenko sein Pferd in den Galopp ein, der auf dem breiten grasigen Weg voll hohen Genusses war. Ivo, neben ihm, lächelte, warum eigentlich, das bleibt dunkel. Sie sahen nach einer Weile – schon waren die Fälle lärmend geworden – Weißes von Ferne.
    Danach, heranreitend, fiel ihr Blick über die schäumende Planei oberhalb der Katarakte, wo das Wasser in starken Armen, da und dort aufstäubend, dahinschoss, und auf der ganzen Breite brausend hinein zwischen die
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