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Die Wasser des Mars

Die Wasser des Mars

Titel: Die Wasser des Mars
Autoren: Klaus Frühauf
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seinen Namen am Haus der Wissenschaften zu Berlin unsterblich machen, und eine andere wird den Namen Bernd Kronert in kyrillischen Buchstaben tragen, die Granittafel an der Kremlmauer auf dem Roten Platz zu Moskau. Fremde und bekannte Menschen werden Blumen unter die Tafeln legen. Auch seine Mutter wird ihm Blumen bringen, und trotz ihrer Tränen wird man ihr ansehen, daß sie stolz auf ihn ist.
    Man wird ihn einen Helden nennen. Aber ist er ein Held? Frieren Helden in ihren letzten Stunden so, daß sie mit den Zähnen klappern? Oder ist es vielleicht heldenhaft, in seinen letzten Minuten auf Grind und Cortez zu fluchen, weil sie ihn nicht gesucht oder doch zumindest nicht gefunden haben?
    Der Atem in seinem Helm beginnt an der Scheibe zu kondensieren. Vorsichtig dreht er den Regler ein wenig weiter auf, wartet minutenlang und stellt mit Entsetzen fest, daß die Kälte nicht mehr zu vertreiben ist. Die Batterie ist nahezu leer.
     
    Einen Augenblick lang muß er geschlafen haben. Er erwacht von einer irrsinnigen, schneidenden Kälte. Zugleich aber glaubt er ein Geräusch zu hören, daß nicht in die Totenstille des Mars paßt.
    Je mehr er sich auf das Geräusch konzentriert, desto deutlicher wird es. Es klingt wie das Rauschen eines Wasserfalls. Kronert richtet sich langsam auf. Das bereitet ihm unsägliche Qualen. Sein Körper ist starr vor Kälte. Auch nach den ersten Schritten ändert sich das nicht. Überall dort, wo er den Schutzanzug von innen mit der Haut des Körpers berührt, an den Handgelenken, dem Hals und beim Umdrehen an den Wangen, hat er das Gefühl, in siedendes Wasser getaucht zu werden. Wasser wird, stellt er sarkastisch fest, langsam zu seiner fixen Idee.
    Vielleicht ist es auch dieser unsinnige Gedanke an Wasser, der ihn vorwärts treibt. Er denkt nicht daran, tatenlos auf den Tod zu warten.
    Das Geräusch ist lauter geworden, und es wird dem Rauschen von großen Wassermassen immer ähnlicher. Natürlich weiß er, daß es auf Mars kein Wasser gibt, keinen einzigen Tropfen, aber das Rauschen ist keine Einbildung, er hört es genau, mit jedem Schritt wird es lauter. Aber er ist schon zu schwach, um vernünftig denken zu können.
    Das Terrain wird immer schwieriger. Die abgerundeten Buckel der Felsen bieten den Füßen nur wenig Halt; immer öfter strauchelt er, und er ist froh, es auf die schlechten Bodenverhältnisse schieben zu können.
    Und dann öffnet sich vor ihm zwischen zwei eng beieinander stehenden Felsen der Blick in das Tal. Zwar ist es fast dunkel, aber seine Augen haben sich an das schwindende Licht gewöhnt. Er sieht den Wasserfall. Es ist unglaublich, unmöglich: ein Wasserfall auf dem Mars!
    Hinter einer grauschwarzen Dunstwand schießt es röhrend zwischen engen Felsen hindurch, ein mächtiger Schwall grauen, quirlenden Wassers. Über eine Breite von mindestens dreißig Metern fällt der Katarakt fast ebenso tief zu Tal.
    Kronert beginnt den Abstieg. Bereits wenige Meter hinter dem gischtenden Absturz hat sich der Strom beruhigt. Der aufsteigende Dunst fasziniert Kronert. Dunst entsteht nur dort, wo genügend starke Temperaturunterschiede herrschen, und das kann hier nur Wärme bedeuten.
    Mit brennenden Augen starrt Kronert auf die ersten Schwaden, die er erreicht, vor seinen Augen beginnt sich alles zu drehen. Mit äußerster Anspannung kämpft er die Schwäche nieder und betrachtet das Gestein in seiner Umgebung. Irgendwo muß sich hier unter der eisigen Kälte Reif absetzen.
    Unter seinen tastenden Händen rinnen an den Felsen kleine Bäche herab. Kondensat? Wasser? Bei dieser Kälte? Oder ist es bereits wärmer geworden hier zwischen den Felsen? Bringt das strömende Wasser Wärme mit? Ist das die Rettung für ihn, oder ist es eine Halluzination seines schwindenden Bewußtseins?
    Er fühlt sich leer; die schneidende Kälte springt ihn wieder an, als er absichtlich mit der Wange das Helminnere berührt. Vielleicht ist dieser Augenblick, in dem auch die letzte Hoffnung schwindet, der schwerste seines Marsches.
    Der Entschluß, den er in diesen Minuten faßt, ist weder heroisch noch vernünftig. Er beschließt, seine Leiche von dem Strom, der sich in Richtung Ares 4 bewegt, hinwegtragen zu lassen. Näher an die Station heran, näher hin zu seinen Gefährten…
    Mit klappernden Zähnen kriecht er über die Felsen abwärts zu den Wassermassen. Sein Körper ist gefühllos vor Kälte, und die Hände werden zu Klauen, die sich in die runden Steine krallen. Wasser fließt über seine
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