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Die Wanderbibel

Titel: Die Wanderbibel
Autoren: Matthias Kehle , Mario Ludwig
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Passend dazu: Während Jüngere eher gelegent lich, also ein- bis zweimal im Jahr wandern, sind über 60-Jährige oft mehrmals im Monat unterwegs. Der Schnitt beträgt 9,3 Wanderungen. Die fleißigsten Wanderer kommen aus Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen. Erst dann folgen die Bayern und Baden-Württemberger.
    Das Wandersymbol schlechthin sind übrigens – so »Wanderpapst« Dr. Rainer Brämer, der ehemalige Leiter des Deutschen Wanderinstituts – nicht karierte Hemden, sondern Wanderstiefel. 42 Prozent aller Befragten gaben an, entsprechende Schuhe seien das Wandersymbol überhaupt. Auf Rang zwei finden sich die fast schon obligatorischen Stöcke noch vor dem Rucksack. Brämer hat den Wanderer jedoch auch tiefenpsychologisch ergründet und archaische Verhaltensmuster beschrieben. Zum Beispiel hat er beobachtet, dass Bänke und Rastplätze bevorzugt am Waldrand aufgestellt werden. Der Grund: »Ähnlich wie wir in Gaststätten gerne mit dem Rücken zur Wand und Blick in den Saal sitzen, haben auch Wanderer gerne etwas im Rücken: den Wald.« Brämer zieht einen Vergleich zur Tierwelt. Bevor nämlich ein Wildtier den Schutz des Waldes verlasse, sichere es erst einmal die Lage und lasse den Blick ins ungeschützte Vorfeld schweifen. Auch für die Tatsache, dass man wildfremde Menschen in einem belebten Stadtgebiet nicht grüßt, aber dahergelaufene Fremde im Wald, hat der Wissenschaftler eine Erklärung: »Im Wald fehlt der vermeintliche Schutz durch die Zivilisation, weshalb man dem Fremden möglichst frühzeitig per Gruß seine freundlichen Absichten signalisiert in der Hoffnung, dass auch er mit der Erwiderung des Grußes Entwarnung gibt.«
    Die modernen Wanderer gehen auf Nummer sicher, führen Wanderkarten mit sich, die sie freilich oft nicht verstehen, oder GPS-Navis, deren Akku schwächelt, und sie verbringen ihren Haupturlaub zu 85 Prozent im deutschen Sprachraum, also in Deutschland, der Schweiz, Österreich oder Südtirol, und zwar aus reinem Überlebenstrieb: Im Notfall will man die Orientierungshilfen seines Gastlandes lesen und Einheimische nach dem Weg fragen können. Slowenien wird also zumindest theoretisch das einsamste Alpenland und den einheimischen Berg fanatikern überlassen bleiben, wirklicher alpiner Geheim tipp in Mitteleuropa wohl die Hohe Tatra bleiben.
    Auch die Treue zu einem einmal gefundenen Urlaubsort begründet Brämer mit dem reinen Überlebenstrieb: Hier kennt man sich auch in der ungebändigten Natur aus und kann im Notfall schnell nach Hause finden.
    Der wandernde Tagesausflügler gibt vor Ort 16 Euro pro Tag aus, der übernachtende Wanderer 57 Euro. Das klingt immer noch eher nach Selbstversorger und Massenlager als nach Drei-Gänge-Menü und Fünf-Sterne-Unterkunft. Jeder aktive Wanderer gibt im Jahr durchschnittlich 92 Euro für seine Ausrüstung aus. Das reicht bei einem Golfer manchmal nicht einmal fürs Greenfee.
    Die Zukunftsaussichten des Wanderns sehen allerdings a lles andere als rosig aus. Der Nachwuchs fehlt. Bei den immerhin stolzen 600.000 Wanderern, die sich einer der rund 3000 Ortsgruppen des Deutschen Wanderverbands angeschlossen haben, sind nicht weniger als 85 Prozent über 55 Jahre alt. »Die Wandervögel sind alt geworden«, merkt die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« an.
    Vernichtend auch das Resultat einer repräsentativen Umfrage bei Kindern im Alter von sechs bis zwölf Jahren im Auftrag des Apothekenkindermagazins »medizini«: Gerade mal ein Viertel der befragten Kinder möchte in den großen Ferien Wandern oder Bergsteigen.
    Ein klein wenig Hoffnung in Sachen Wandernachwuchs verheißt jedoch eine Umfrage des MDR zumindest in Mitteldeutschland. Danach interessierten sich unter den 20- bis 29-Jährigen in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt mehr Befragte fürs Wandern als für Fitnessstudio-Besuche. Immerhin!
    Natürlich gibt es nicht den »typischen Wanderer«. Das Deutsche Wanderinstitut hat aus diversen Umfragen gleich fünf Lebensstile herausgefiltert, in deren Rahmen Wandern eine gewisse Rolle spielt. Das Spektrum reicht dabei von den »kleinbürgerlich Konservativen« bis hin zum »kritisch alternativen« Typus.
    Ich persönlich teile meine deutschen Mitwanderer lediglich in vier Gruppen auf. Da wären zunächst einmal die »Normalos«, die rund 80 Prozent der deutschen Wanderpopulation stellen. »Normalos« sind Menschen wie du und ich, deshalb wird an dieser Stelle auf eine Vertiefung verzichtet. Deutlich interessanter, wenn auch bereits
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