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Die Wanderbibel

Titel: Die Wanderbibel
Autoren: Matthias Kehle , Mario Ludwig
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Wasserfallweg mit seinen engen und steilen Serpentinen aufsteigen und die Sicht auf die Fälle von mehreren Aussichtskanzeln aus genießen.
    Doch Österreich ist kein Land der Wasserfälle, verglichen jedenfalls mit seinem Nachbarn, der Schweiz. Bei einem Schweizer Verlag ist sogar ein großformatiger Wasserfall-Wanderführer erschienen (»Die Wasserfälle der Schweiz« von Christian Schwick und Florian Spichtig. Mit 53 Wanderungen zu spektakulären Naturschauplätzen). Schnell wird klar: Besonders mit Wasserfällen gesegnet ist das Berner Oberland, was im Übrigen schon Johann Wolfgang von Goethe wusste: »Des Menschen Seele/ Gleicht dem Wasser:/ Vom Himmel kommt es,/ Zum Himmel steigt es,/ Und wieder nieder/ Zur Erde muss es,/ Ewig wechselnd.« So schrieb der Dichterfürst unter dem Eindruck eines der imposantesten Wasserfälle Europas, des Staubbachfalles. Fast 300 Meter stürzt dieser bei Lauterbrunnen frei in die Tiefe, und vor allem während der Schneeschmelze macht der Staubbach seinem Namen alle Ehre. Heute kann man ihn nicht nur von Ferne bewundern – als Postkartenidylle mit Dorfkirche im Vorder- und gewaltigen Bergen im Hintergrund –, sondern entlang einer Galerie auch hinter dem Staubbach entlangflanieren.
    Das Lauterbrunnen-Tal ist das klassische Trogtal schlecht hin mit senkrechten und überhängenden Wänden, die mehrere Hundert Meter aufragen, und so verwundert es nicht, dass dort die höchsten und meisten Wasserfälle Europas zu finden sind. Die Talschaft wirbt nachdrücklich mit den angeblich 72 Wasserfällen des Tals – es wer den mal mehr mal weniger sein, je nach Jahreszeit. Einige Kilometer südlich von Lauterbrunnen stürzt der Mürrenbach in mehreren Kaskaden über 400 Meter in die Tiefe. Er galt lange als höchster Wasserfall Europas – bis Wissenschaftler vor kurzem feststellten, dass auf der gegenüberliegenden Talseite der unscheinbare Mattenbachfall über 840 Meter Fallhöhe misst. Wer mit der Seilbahn von Stechelberg aufs Schilthorn schwebt, hat während der ersten Etappe den gewaltigen Mürrenbach permanent vor Augen. Wanderer in Richtung Stechelberg bekommen die etwas weniger berühmten Wasserfälle zu sehen, »kleine« Bäche mit hundert bis vierhundert Me tern Fallhöhe und Namen wie Hasenbach, Spiessbach oder Aegertenbach. Während der etwa einstündigen Wanderung kann man sich dank vorbildlicher Infotafeln über die Geologie und die Geschichten von sieben der Wasserfälle informieren und etwas über das Eisfallklettern oder über die Base-Jumper erfahren, bei denen die überhängenden Wände äußerst beliebt sind. Zwischen den Lauterbrunner Wasserfällen gibt es immer wieder tödliche Abstürze, allein im Herbst 2007 kamen drei Base-Jumper rund um Lauterbrunnen ums Leben. Die »Jungfrau-Zeitung« diskutierte schon ein Jahr zuvor ein Verbot des Risikosports im Lauterbrunnental. Überhaupt ist das Berner Oberland mit seinen extremen Naturphänomenen immer wieder Schauplatz für Fun-Sport-Katastrophen aller Art. So kamen 1999 insgesamt 21 junge Menschen beim Canyoning im Saxetbach ums Leben, weil ein vermeintlich plötzlich aufziehendes Gewitter das harmlose Flüsschen binnen weniger Sekunden extrem anschwellen ließ. Ein makabres Detail, das die Gewalt der Berner Gewässer verdeutlicht: Stunden später fischten Kinder Teile von Armen und Beinen aus dem Brienzer See.
    Keinen Funsport betreibt die deutsche Bundeswehr. An den Eiswänden des Lauterbrunner Talschluss zerschellte 2007 bei einer Geschwindigkeit von 360 Stundenkilometern ein Tornado-Kampfjet. Ganz in der Nähe ragen das Groß- und Breithorn in die Höhe, an deren Wandfuß der Schmadribach in die Tiefe stürzt – schon von Weitem sichtbar. Der Fall ist durch mehrere romantische Gemälde bekannt geworden, etwa jenem von Samuel Birmann mit dem Titel »Wasserfall zwischen zwei Gletscherterrassen« aus dem Jahr 1829, womit der Schmadribach maßgeblich zum idealisierenden Romantikbild beitrug. Unterhalb des Hotels Obersteinberg findet der ausdauernde Wanderer ein besonderes Kleinod, den »nur« achtzehn Meter hohen Talbachfall, der allerdings den Fels wie ein Pfeil durchbohrt hat und darunter einen riesigen Kessel füllt. Um diese beiden Wasserfälle zu erreichen, muss man den gemütlichen Talweg hinter Stechelberg verlassen und in Richtung Talschluss marschieren, die Anstrengung hält sich allerdings in Grenzen.
    Wer den höchsten Wasserfall Europas, den scheinbar unscheinbaren Mattenbachfall mit seinen Kaskaden an der
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