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Die Wanderbibel

Titel: Die Wanderbibel
Autoren: Matthias Kehle , Mario Ludwig
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den Abendstern.« Wird man bei solchen themenbezogenen Wanderungen, etwa entlang eines Planetenweges, nicht eher die Liebe zur Astronomie oder auf dem Trifels die zur Geschichtswissenschaft wecken?
    Intelligenter, und daher auch von Reisejournalisten und Reiseveranstaltern mit dem Preis »Best of Austria 2007« ausgezeichnet, präsentiert sich die Tiroler Gemeinde Serfaus, die das Angebot »Abenteuerberge« auf dem Programm stehen hat. Beim Thema »Flugzeugabsturz in den Bergen« rekonstruiert eine Kinderexpedition den Unglücks hergang und bekommt dazu einen Abenteuerrucksack samt Kompass oder Fernglas. Das Thema Berge und der Umgang mit Utensilien, die man beim Wandern, bei der »Expedition«, braucht, ist spielerisch integriert.
    Die Naturvorstellungen von Kindern sind heute von Film und Fernsehen geprägt. Sie kennen Löwen, Tiger und Eisbären wie Knut und Flocke. Enten sind gelb, Kühe lila. Hingegen kommen Asseln, Blindschleichen oder Bart geier in der Welt der Kinder nicht vor. Und: Die Natur ist immer gut. Böse hingegen ist der Mensch, der Bäume fällt und Tiere tötet. Der Natursoziologe und »Wanderpapst« Rainer Brämer bezeichnet das als »Bambi-Syn drom«. Mit richtigem, mit echtem Wandern, inklusive bei spielsweise einer Brotzeit in einer Bergwiese mit allem, was dort kreucht und fleucht, zwickt und sticht, stinkt und Fladen macht, wirken Papa und Mama dieser zweifelhaften medialen Prägung entgegen.
    Alle inzwischen erwachsenen Wanderer, die ich kenne, hatten Eltern, die hartnäckig, ja hartgesotten mit ihren Kindern wanderten. Ohne Rücksicht auf Verluste, Wasserblasen an den Kinderfüßen gehörten dazu, schließlich will ein Kind auch ernst genommen werden und sichtbar etwas geleistet haben. Gewandert wurde im Schwarzwald, in der Pfalz, im Hunsrück und vor allem in den Alpen. Fast alle Wanderer hatten vermeintlich sadistische Eltern, nur ich nicht. Meine Eltern erzogen mich dadurch zum Wanderer, dass sie mit uns Kindern hartnäckig NICHT wanderten. Wir fuhren so gut wie jeden Meter mit der Seilbahn. Und ich bekam von meinem Vater einen kleinen Hammer, damit ich unterwegs Mineralien suchen, sprich Steine klopfen konnte. Dass ich auf einem halbstündigen Weg rund um den Seilbahngipfel nicht fündig wurde, war klar; nun, vielleicht bin ich deshalb kein Geologe geworden. Neidisch beobachtete ich andere Kinder, die mit einem Rucksack von weit her kamen und nicht aus der Seilbahnkabine stiegen. Mein erster, größerer Urlaub gleich nach dem Abitur war entsprechend ein Wanderurlaub, in dem ich alle Seilbahngipfel zu Fuß wiederholte, inklusive einem 2000-Höhenmeter-Aufstieg von Lauterbrunnen aufs Schilthorn – den Abstieg machten meine untrainierten Knie dann allerdings nicht mehr mit, zum Glück gab es die Seilbahn.
    In den letzten Jahren haben wir unter anderem stolze Zwölfjährige auf dem Piz Languard erlebt. Sie können ihren Klassenkameraden erzählen, einen leibhaftigen Dreitausender bestiegen zu haben. Und dort oben gibt es nicht einmal einen Stempel, den man sich in den Wander- oder Erlebnispass drücken kann. Sicher wird manche besorgte Mutter nun aufschreien, denn in den Bergen lauern Gefahren. Sie sollten ihre Kids einfach mal bei einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen erwischen, beim heimlichen Klettern auf Bäume. Nebenbei bemerkt, bin ich als Kind dutzende Male von Bäumen gefallen, habe mir dabei aber allenfalls den Knöchel verstaucht. Man ist immer wieder erstaunt, wie sicher, wie leicht und elegant Kinder über Felsen turnen, ganz im Gegensatz zu manchem staksenden Erwachsenen. Ganz hoch im Kurs steht bei Kindern entsprechend Klettern: Auf dem mittelschweren Klettersteig zum Piz Trovat haben wir ganze Heerscharen junger Familien mit Kindern ab zehn Jahren beim Kraxeln beobachtet.

22 Von barbusigen Nixen und Stahlstegen
    No-Go-Areas für Wanderer
    Der »Deutsche Wandertag 2010« fand in Freiburg statt. Eines der Ergebnisse: Die Wandervereine in Deutschland wollen das Wandern künftig als praktizierten Umweltschutz vermarkten. Kein Wunder, denn Wanderer verstehen ihre Leidenschaft zunehmend als Teil eines nachhaltigen Lebensstils. Auf der Suche nach dem verlorenen Paradies ist bei Wanderern nichts unpopulärer als Massen tourismus und Gigantomanie. Nichts ist verheerender als eine Mundpropaganda, welche nicht die Schönheit der Natur und die Idylle lobt. Welcher Kollege oder Nachbar wird in Gegenden reisen, die mit dem Attribut »verschandelt« belegt werden? Dass die
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