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Die Wahrheit

Die Wahrheit

Titel: Die Wahrheit
Autoren: David Baldacci
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erklärt, diesen Antrag kostenpflichtig zurückzuziehen und dem Fonds der öffentlichen Pflichtverteidiger eintausend Dollar zu stiften, werde ich meinen Gegenantrag zurückziehen und nicht auf Schadenersatz klagen, und wir alle können nach Hause gehen.«
    Paul Williams sprang so schnell auf, daß ihm die Brille von der Nase rutschte und auf den Tisch fiel. »Euer Ehren, das ist eine Unverschämtheit!«
    Richter Walters schaute in den gut besuchten Saal, dachte stumm an seinen ebenso prall gefüllten Terminkalender und winkte beide Männer müde zu sich an den Richtertisch.
    »Kommen Sie bitte zu mir.«
    »Euer Ehren«, sagte Fiske, als er am Seitensteg des Richterstuhls stand, »ich möchte der Gesellschaft nur einen Gefallen erweisen.«
    »Die Gesellschaft kann auf Gefälligkeiten von Mr. Fiske verzichten«, sagte Williams empört.
    »Kommen Sie, Paulie, tausend Mäuse, und Sie können sich noch ein Bier trinken, bevor Sie zu Ihrem Boß gehen und ihm erklären, wieso Sie Mist gebaut haben. Ich gebe Ihnen das Bier sogar aus.«
    »Nicht in zehntausend Jahren werden Sie auch nur einen Cent von uns bekommen«, sagte Williams verächtlich.
    »Nun ja, Mr. Williams, dieser Antrag ist ein wenig ungewöhnlich«, erklärte Richter Walters. Am Strafgericht von Richmond wurden Anträge vor oder während des Prozesses gestellt, und ihnen lagen keine langen Schriftsätze mit der Darlegung der Beweisgründe bei. Die traurige Wahrheit sah leider so aus, daß die meisten Strafprozesse im voraus entschieden wurden. Nur bei ungewöhnlichen Fällen, bei denen der Richter sich nach den Plädoyers der Anwälte seiner Entscheidung nicht sicher war, bat er um schriftliche Begründungen, bevor er ein Urteil sprach. Daher war Richter Walters ein wenig verwirrt, daß die Staatsanwaltschaft unaufgefordert einen langen Schriftsatz eingereicht hatte.
    »Ich weiß, Euer Ehren«, sagte Williams. »Doch wie ich erklärt habe, handelt es sich um eine ungewöhnliche Situation.«
    »Ungewöhnlich?« sagte Fiske. »Verrückt wäre der bessere Ausdruck, Paulie.«
    »Mr. Fiske«, warf Richter Walters ungeduldig ein, »ich habe Sie schon einmal wegen ungebührlichen Verhaltens in meinem Gerichtssaal getadelt und werde nicht zögern, Sie wegen Mißachtung zu bestrafen, falls Ihr weiteres Verhalten es rechtfertigt. Fahren Sie jetzt mit Ihrer Erwiderung fort.«
    Williams kehrte an seinen Tisch zurück, und Fiske ging zum
    Pult. »Euer Ehren, obwohl der >Dringlichkeitsantrag< der Staatsanwaltschaft mitten in der Nacht an mein Büro gefaxt wurde und ich keine Zeit hatte, eine angemessene Erwiderung vorzubereiten, werden Sie gemäß der zweiten Absätze auf den Seiten vier, sechs und neun des Memorandums der Staatsanwaltschaft zu dem Schluß kommen, daß die Tatsachen, auf die dort Bezug genommen wurde, angesichts dieser Aktenlage nicht aufrechtzuerhalten sind. Das gilt besonders im Hinblick auf das Vorstrafenregister des Angeklagten, die Aussagen der Beamten, welche die Verhaftung vorgenommen haben, sowie die Aussagen der beiden Augenzeugen am Tatort des Verbrechens, das mein Mandant angeblich begangen haben soll. Überdies ist der Präzedenzfall, den die Anklage auf Seite zehn anführt, vor kurzem durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von Virginia aufgehoben worden. Ich habe die diesbezüglichen Unterlagen meiner Erwiderung beigefügt und die entsprechenden Stellen für Sie gekennzeichnet.«
    Während Richter Walters die Akte studierte, beugte Fiske sich zu Williams hinüber. »Jetzt sehen Sie, was passiert, wenn Sie mitten in der Nacht so eine Scheiße abziehen.« Fiske gab Williams seinen Schriftsatz. »Da mir nur etwa fünf Minuten blieben, Ihren Schriftsatz zur Kenntnis zu nehmen, habe ich mir überlegt, Ihnen den gleichen Gefallen zu tun. Sie können meinen Schriftsatz ja gleichzeitig mit dem Richter lesen.«
    Walters hatte die Akte inzwischen studiert und bedachte Williams mit einem Blick, der selbst dem unaufmerksamsten Zuschauer im Saal einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
    »Ich hoffe, die Staatsanwaltschaft hat eine angemessene Erwiderung parat, Mr. Williams, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, wie sie lauten könnte.«
    Williams erhob sich. Als er nach Worten suchte, stellte er fest, daß seine Stimme ihn verlassen hatte - genau wie seine Überheblichkeit.
    »Nun?« fragte Richter Walters erwartungsvoll. »Äußern Sie sich bitte, oder ich bin geneigt, Mr. Fiskes Antrag auf Schadenersatz stattzugeben, bevor ich ihn auch
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