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Die Wahrheit des Blutes

Die Wahrheit des Blutes

Titel: Die Wahrheit des Blutes
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Bereitschaftspolizei wurde übel gerempelt. Diese Sache würde sicher nicht gut ausgehen. Das einzig Gute war, dass wie durch ein Wunder die Medien noch nicht aufgetaucht waren und man weit und breit weder einen Fotografen noch eine Kamera sah.
    Als Passan um seinen Wagen herumging und eben einsteigen wollte, sah er, wie eine Trage vor einem wartenden Krankenwagen abgesetzt wurde. Patrick Guillard lag unter einer silbern glänzenden Überlebensdecke und trug eine Halskrause und eine Sauerstoffmaske. Die Plastikhülle über seinem Gesicht verzerrte seine Züge und zeigte sein wahres Gesicht – die Fratze eines kahlen weißen Monsters.
    Vorsichtig schoben die Sanitäter die Trage in den Krankenwagen. Das Blaulicht spiegelte sich in der silbrigen Decke. Passan hatte den Eindruck, der Schinder krieche aus einem mit türkisfarbenen Pailletten besetzten Kokon.
    Ihre Blicke kreuzten sich.
    Und das, was Passan in Guillards Augen entdeckte, machte ihm klar, dass er diesen Krieg noch lange nicht gewonnen hatte.
    Vielleicht noch nicht einmal diese Schlacht.

3
    Eine Stunde später stand Olivier Passan unter der Dusche in seinen neuen Büroräumen und schloss genüsslich die Augen. Das Wasser schien eine gewisse Macht zu besitzen: Es entfernte nicht nur Schweiß und Schmutz, sondern auch den Geruch verbrannten Fleisches, die Erinnerung an gemarterte Körper und die Gräuel von Tod und Zerstörung, die ihn immer noch verfolgten. Er neigte den Kopf unter dem kühlen, fast kalten Duschstrahl, der auf sein Haar prasselte und seine Haut so intensiv massierte, dass sie ganz rot wurde.
    Als er sich abtrocknete, fühlte er sich neu belebt. Die Räumlichkeiten der nagelneuen Direktion der Kriminalpolizei in der Rue Trois-Fontanot in Nanterre taten ein Übriges dazu. Im Gegensatz zu dem altmodischen, düsteren Labyrinth am Quai des Orfèvres war hier alles Hightech, weitläufig und nüchtern. Einige Einheiten waren bis zum Beginn der Erweiterungsarbeiten in der Zentrale nach Nanterre ausgelagert worden. Allerdings gab es inzwischen Gerüchte, dass alle in Bälde wieder zurückbeordert würden, weil es für die Umbaumaßnahmen an Geld fehle.
    Passan betrachtete sich im Spiegel über dem Waschbecken. Mit seinem ausgemergelten Gesicht, dem eckigen Kinn und dem Bürstenhaarschnitt sah er eher wie ein Soldat als wie ein Polizist aus. Seine Züge waren fein und regelmäßig, die Brust wirkte dank vieler im Sportstudio verbrachter Stunden muskulös und wie in Stein gehauen. Passan ging nicht aus Gesundheitsbewusstsein oder Eitelkeit zum Sport, sondern um sich zu beweisen, dass er seinen Willen unter Kontrolle hatte.
    Er kehrte zu den Umkleidekabinen zurück, zog die schmutzigen Kleider wieder an und nahm den Aufzug in die zweite Etage. Hier wie überall im Gebäude beherrschten Stahlkonstruktionen, Glaswände und grauer Teppichboden das Interieur. Passan gefiel diese kühle, etwas monotone Ausstattung.
    Fifi, ebenfalls frisch geduscht und gekämmt, machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen.
    »Funktioniert sie nicht?«
    Der Punker versetzte dem Gerät einen heftigen Tritt.
    »Jetzt schon.«
    Er griff nach dem dampfenden Kaffeebecher, reichte ihn seinem Chef und gab den nächsten auf die gleiche Weise in Auftrag. Unter dem nassen Haarwust sahen seine Aknenarben noch wüster aus.
    Schweigend genossen sie ihren Kaffee. Mit einem einzigen Blick hatten sie sich darauf verständigt, nicht über das eben Erlebte zu sprechen. Bloß kein Druck! Und so schwiegen sie sich an. Abgesehen von ihrer Arbeit gab es für sie nur ein gemeinsames Thema: die Probleme in ihrem Privatleben.
    Schließlich war es Fifi, der den ersten Schritt wagte.
    »Wie läuft es mit Naoko?«
    »Wir lassen uns scheiden. Beschlossene Sache.«
    »Und eure Bude? Verkauft ihr die?«
    »Auf gar keinen Fall. Zumindest nicht jetzt. Wir behalten sie.«
    Fifi wiegte zweifelnd den Kopf. Er wusste, dass die Konjunktur des Immobilienmarkts nichts mit Passans Entschluss zu tun hatte.
    »Und wer von euch wohnt dann dort?«, wollte er wissen.
    »Beide. Abwechselnd.«
    »Wie soll das denn funktionieren?«
    Passan zerknüllte seinen Plastikbecher und warf ihn in den Mülleimer.
    »Na ja, jeder wohnt eine Woche im Haus.«
    »Und die Kinder?«
    »Die bleiben, wo sie sind. Sie brauchen nicht einmal die Schule zu wechseln. Wir haben uns überlegt, dass es für die beiden so das Beste ist.«
    Fifi schwieg. Er schien an der Lösung zu zweifeln.
    »Heutzutage wird so etwas oft gemacht«, fügte Passan
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