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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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zog er den blutverkrusteten Mantel beiseite und stieß einen leisen Pfiff aus.
    »Dich muß ein Gott lieben, Fremder. Etwas tiefer, und der Pfahl hätte dir die Lunge durchbohrt… « Er richtete sich auf und rief: »Cynric und ihr Mädchen, seht euch das an! Er blutet noch immer an der Schulter. Aber das Blut ist dunkel und fließt langsam. Also kehrt es zum Herzen zurück. Käme es vom Herzen, wäre es hellrot und würde aus der Wunde sprudeln. Vermutlich wäre er dann längst verblutet, ehe wir ihn gefunden hätten.«
    Der blonde junge Mann und die beiden Frauen beugten sich über Gaius und betrachteten die Wunde. Gaius blieb schweigend liegen. Ihm kam ein schrecklicher Verdacht. Die Bemerkung des Mannes verriet die Kenntnisse eines Heilers. Gaius ahnte, daß er sich in Gegenwart eines Druiden befand. Schnell beschloß er, darauf zu verzichten, seinen Namen zu nennen und die Leute aufzufordern, ihn zum Haus von Clotinus Albus zu bringen, wo man sie für seine Rettung belohnen würde. Vermutlich rettete ihn nur die alte britische Tunika, die er am Morgen für die Jagd angezogen hatte. Er wurde vorsichtig hochgehoben, und die Welt um ihn herum versank im Dunkel.

    Wie lange Gaius bewußtlos gewesen war, wußte er nicht. Als er die Augen aufschlug, sah er Feuerschein und eine junge Frau, die ihn betrachtete. Einen Augenblick schien ihr ruhiges Gesicht in einen feurigen Lichtkranz gehüllt zu sein. Sie war sehr jung und hatte helle Haut, weit auseinander liegende dunkelgraue Augen und blaßblonde Wimpern. Sie hatte Grübchen in den Wangen, aber ihr Mund wirkte ernst und schien einer sehr viel älteren Frau zu gehören. Die Haare waren so blaßblond wie die Wimpern und wirkten beinahe farblos, wo der rote Feuerschein nicht darauf fiel. Sie strich ihm mit der Hand über das Gesicht. Ihre Haut fühlte sich kühl an. Sie hatte ihm die Stirn mit kaltem Wasser gewaschen.
    Gaius betrachtete sie sehr lange und prägte sich ihre jungen, gleichzeitig aber auch so alten Züge für immer in sein Bewußtsein ein. Dann hörte er, wie jemand sagte: »Das reicht, Eilan. Ich glaube, er ist wieder wach.« Die junge Frau verschwand augenblicklich von seinem Lager.
    Eilan…
    Er hatte diesen Namen schon einmal gehört. War es in einem Traum gewesen?
    Gaius bemühte sich, etwas von seiner Umgebung zu sehen. Er lag in einer Nische auf einer Bettbank und stellte fest, daß er sich in einem großen, geräumigen Haus befand. Die Erinnerung kam zurück. Er drehte langsam den Kopf und versuchte herauszufinden, wo er war. Cynric, der junge Mann, der ihn aus der Grube gezogen hatte, und der alte Druide, dessen Namen er nicht kannte, standen an seiner Seite. Er befand sich in einem Rundhaus aus Holz. Nach keltischer Bauweise trugen geglättete Balken, die sich in der Mitte am höchsten Punkt kreuzten, das Dach über den niedrigen Wänden. Seit er in der Kindheit mit seiner Mutter ihre Angehörigen besucht hatte, war er nicht mehr in einem solchen Haus gewesen. Auf dem Boden lag eine dicke Schicht Binsen. Die aus Haselnußzweigen geflochtenen Wände hatte man mit Tonerde verschmiert, geglättet und gekalkt. Die Trennwände zwischen den Nischen mit den Betten bestanden ebenfalls aus geflochtenen Zweigen. Anstelle einer Tür hing eine große Lederplane vor dem Eingang. In diesem keltischen Haus kam er sich plötzlich wieder sehr jung vor. Die Jahre seiner römischen Erziehung schienen von ihm abzufallen.
    Langsam schweifte sein Blick durch das Haus, und schließlich richteten sich seine Augen wieder auf die junge Frau. Sie trug ein Kleid aus rotbraunem Leinen und hielt ein Kupferbecken in den Händen. Sie war groß, aber sehr viel jünger als er geglaubt hatte. Ihr glatter, biegsamer Körper unter dem Kleid war noch der eines Mädchens. Der Schein der Flammen von der Feuerstelle hinter ihr erweckte den Eindruck, als würde das Feuer in ihrem hellen Haar tanzen.
    Gaius drehte vorsichtig den Kopf und musterte mit beinahe geschlossenen Augen den älteren Mann, den er als Druiden erkannt hatte. Unter den Britonen waren die Druiden die Gelehrten. Aber man hatte ihm von Jugend an eingeschärft, daß sie alle Fanatiker seien. Im Haus eines Druiden zu liegen, war dasselbe wie in der Höhle eines Bären oder mitten in einem Wolfsrudel zu erwachen. Gaius mußte sich eingestehen, daß er Angst hatte.
    Zumindest war er so klug gewesen, seine römische Abstammung nicht preiszugeben, als er hörte, wie der alte Mann selbstverständlich von der Zirkulation des
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