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Die Vogelfrau - Roman

Die Vogelfrau - Roman

Titel: Die Vogelfrau - Roman
Autoren: Ulrike Blatter
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mitgebracht. Vielleicht finden wir ja sogar noch einen Stempel ›Made in China‹, wenn wir es sauber gemacht haben. Die Chinesen fälschen doch heutzutage alles.«
    »Wo lag das denn?« Die Frage war eigentlich überflüssig. Unübersehbar prangte das grellweiße Schild mit der Nummer drei auf dem Schreibtisch, mitten in der eingetrockneten Blutlache. Der Tote hatte mit dem Gesicht auf dem Amulett gelegen. Der Kommissar trat noch einmal zur Leiche. Bei genauer Betrachtung konnte man den Abdruck der Schmucksteine auf der Stirn des Toten erkennen. Man würde ihn noch sorgfältig untersuchen müssen. Er ordnete den Abtransport der Leiche an und ließ die Fenster öffnen. Ein Windstoß brachte einen Schwall frischer Luft ins Zimmer. Papier raschelte.
    »Fenster zu«, brüllte Meyer. »Das fliegt uns doch alles weg!« Er war dabei, die losen Blätter auf dem Schreibtisch zu ordnen. Es waren viele blutverschmierte Blätter, handschriftliche Notizen, pergamentene Bögen und kopierte Artikel aus Fachzeitschriften. Der Kommissar nahm sich ein weniger verschmutztes Blatt und las angestrengt den Text. Es war Deutsch, aber es klang wie eine fremde Sprache. Meyer würde wohl noch eine ganze Weile beschäftigt sein. Es war besser, ihn nicht dabei zu stören. Er nickte Cenk zu. Cenk war sein neuer Assistent. Er war türkischer Abstammung, jedoch in Karlsruhe geboren und besaß einen deutschen Pass. Er sprach ein gepflegtes Hochdeutsch, kein Dialektausdruck trübte seine exakte Aussprache. Das machte ihn jedoch hier am Bodensee mehr zum Fremden als seine dunkle Hautfarbe und der kurz geschorene, dichte Haarpelz, der an ein Maulwurfsfell erinnerte.
    »Mit wem müssen wir sprechen, Cenk?«
    »Vorerst sind es nur zwei, Chef. Die Frau, die draußen wartet, und ein Kollege des Opfers.« Cenk war wirklich ein überaus brauchbarer Assistent. Selbstständig – aber nicht zu sehr. Geistig rege – aber nicht überheblich. Außerdem hatte er eine lesbare Handschrift. Der Kommissar, der seinen Kollegen und sich selbst ein fürchterliches Gekritzel zumutete, wusste besonders diese Eigenschaft sehr zu schätzen. In seiner systematischen Art hatte Cenk alle Informationen auf zwei Zetteln notiert, die er nun seinem Chef zuschob.
    »Christina Löble, 25 Jahre alt, Studentin. Wissenschaftliche Hilfskraft – ein Hiwi, wie man so schön sagt. Arbeitet schon seit einem Jahr mit Professor Hoffmann. Sie war an den Ausgrabungen auf diesem neuen Gräberfeld beteiligt.«
    »War das nicht dieser Mumienfund vor Kurzem? Da ist doch ein Riesenartikel im ›Südkurier‹ gewesen, oder?« Der Kommissar pfiff leise durch die Zähne. Vielleicht bot dieser Fall noch interessante Details jenseits der üblichen Ermittlungsroutine.
    »Und die zweite Person?«
    »Der Chef des Institutes, Professor Harald Gräber, 55 Jahre alt. Spezialgebiet Frühgeschichte und Antike. Nicht nur der Vorgesetzte, sondern – das kann man schon so sagen – auch der schärfste Konkurrent von Hoffmann. Er leitete die Ausgrabungen am Konstanzer Münster. Sie erinnern sich, Chef? Und er war auch vor einigen Jahren an der Hebung des 600 Jahre alten Schiffes beteiligt, das im Bodensee gesunken war.«
    Der Kommissar erinnerte sich. Damals wurde eigens ein Anbau am Museum errichtet, um den gut erhaltenen Lastensegler in ganzer Länge ausstellen zu können. Das älteste Schiff Süddeutschlands. »Da hatte der Hoffmann ja gewaltig was aufzuholen, wenn der andere so erfolgreich war, was meinen Sie, Cenk?«
    Cenk zuckte die Achseln. Er war kein Freund allzu schneller Kombinationen.
    »Gut, Cenk, wir machen es folgendermaßen. Ich nehme mir den anderen Professor vor – und Sie sprechen mit der Assistentin. Und dann brauchen wir unbedingt noch zwei Personen, die eventuell auch als Zeugen in Frage kommen: die Putzfrau und den Mann vom Sicherheitsdienst. Vielleicht hat von denen noch jemand den Hoffmann lebend gesehen.«

3. Kapitel
    Professor Gräber hatte sein Büro am anderen Ende des Ganges und erwartete ihn bereits. Im Gegensatz zum chaotisch voll gestopften Zimmer seines ermordeten Kollegen herrschte hier penible Ordnung. Den aufgeräumten Schreibtisch zierte eine Reihe römischer Miniaturen.
    »Alles Repliken«, wie Gräber erläuterte, als er des Kommissars Blick auf den Figürchen ruhen sah. »Es gibt heutzutage perfekte Fälschungen. Solche Repliken verkaufen wir übrigens auch in unserem Museumsshop. Die gehen ganz gut, obwohl sie nicht gerade billig sind.«
    Der Kommissar wendete ein
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