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Die Voegel der Finsternis

Titel: Die Voegel der Finsternis
Autoren: Victoria Hanley
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Morlens Hand hervor und packte ihn am Handgelenk. Dorjan hörte das Knirschen von Knochen. Sara schwang ihr Messer und ließ es auf Morlens Hand niedersausen. Er ließ Jasper fahren und seine Hand fiel lose zu Boden. Mit seiner heilen Hand nahm Jasper wieder Morlens Messer und zerschnitt die Kette, an der der Traumwenstein hing. An seinem Hemd rieb er die Blutspuren vom Stein. Mühsam stand er auf und ging schwankend zu Maeve, und als ihr Lied endete, überreichte er ihr den Schatz der Traumwen. Maeve nahm den Stein und breitete ihre Arme aus. Sie hielten sich umschlungen, als zählte nichts anderes auf der Welt
    „Maeve", sagte Morlen und seine krächzende Stimme übertönte das Schluchzen seiner Soldaten, „ich hätte
    aus dir einen Ebrowen gemacht__ dir die Welt zu
    Füßen gelegt__ "
    „Seht ihm nicht in die Augen", warnte Dorjan wieder. „Die Welt!", sagte Morlen rasselnd. „Die Welt", erwiderte Maeve, „die möchte ich nicht" „Du Närrin", sagte Morlen, „du verschleuderst deine Gabe ... das Vermächtnis, das dir bestimmt war, trittst du mit Füßen."
    Maeve reckte ihr Kinn. „Ich besitze das Vermächtnis meiner Mutter, deren Mut unvergessen bleibt." Sara schwang drohend ihre übernatürliche Waffe. „Und du, Morlen, du besitzt nichts. Hier gibt es keine Pfade, auf denen du dein verderbtes Blut schicken kannst." Er schloss die Augen. „Ich werde dich im Tod und über den Tod hinaus suchen", flüsterte er.
    Maeve ließ plötzlich ein erschrecktes Keuchen hören. „Devin!"
    Wie von einem unsichtbaren Seil gezogen, bewegte sich der Junge auf Morlen zu. Maeve warf sich ihm in den Weg, hob ihn hoch und drehte ihn mit dem Gesicht zur Wand. Dorjan trat zwischen sie und Morlen. Ein Schatten legte sich über Dorjan. Er hörte seinen eigenen Atem und stellte verwirrt fest, dass der Schatten, der immer dichter wurde und sich weiter ausbreitete, langsam seine Lungen füllte. Er wollte sprechen, wollte Sara sagen, dass sie ihr Messer benutzen und den Schatten zerschneiden musste - aber der Schatten in seinen Lungen machte ihm das Sprechen unmöglich. Der Schatten drohte ihn umzuwerfen, eine Mauer von Kälte legte sich um sein Herz. In seinem Inneren hallten seine eigenen Worte wider. Der Augenblick des Todes birgt große Gewalt. Und immer noch atmete Morlen. Hilf mir, Sara.
    Vor ihm erschien eine Gestalt. Sie war einem Menschen ähnlich, doch sie hatte breite, dunkle Flügel. Sie stand in einer grauen Halle, dicht vor ihr ein silbrig glänzendes Gewebe.
    Cabis hatte erzählt, der Schattenkönig erschiene den Sterbenden. Sterbe ich denn ?
    „Du bist zu mir gekommen, ich habe dich erwartet", sagte der Flügelmann.
    Dorjan spürte ein scharfes Stechen an seiner Seite. Der Druck wich von seinem Herzen, und er sah Morlens
    Geist, der mit einem Schwall von Kälte an ihm vorüberging und durch die Silbergrenze hindurch die graue Halle betrat.
    Dorjan ließ rasselnd die Luft aus seinen Lungen entweichen. Neben ihm stand Sara mit gezückter Klinge und wachsamen Augen. „Er ist fort", sagte sie. „Ich danke dir." In diesen drei Worten lag alles, was Dorjan für sie empfand.
    Maeve stellte Devin auf die Füße. Mit seinen ruhigen, braunen Augen sah der Junge von einem zum andern und fragte: „Ist er tot?"
    Ja, Devin", antwortete Dorjan, „Morlen ist tot."

 
32
    Als Hauptmann Andris, der Botschafter des Königs, aufwachte, stand eine grimmig aussehende Frau über ihm und schnippte mit den Fingern. „Aha, Ihr seid wach", sagte sie. „Ich bin Hester, die Oberdradin. Und Ihr seid wieder gesund."
    Andris setzte sich auf. Dem Zimmer, in dem er lag, fehlte eine Wand. „War ich denn krank?" „Aus welchem Grund wärt Ihr sonst während eines Erdbebens im Bett geblieben? Aber die Heiler sagen, Ihr seid genesen."
    Ein Erdbeben? Andris ließ seine Füße zu Boden, er fühlte sich völlig gesund. Vergeblich versuchte er sich zu erinnern, was für eine Krankheit er gehabt hatte und welche Botschaft er überbringen sollte. „Dann möchte ich Eure Freundlichkeit nicht länger in Anspruch nehmen", sagte er.
    „Ihr habt Eure Botschaft noch nicht überbracht." Die Oberdradin sah ihn vorwurfsvoll an. Andris versuchte aufs Neue, sich zu erinnern, aber es war, als hätte jemand seinen Kopf geöffnet und seinen ganzen Verstand ausgeleert. Hatte es nicht etwas mit
    Saravelda zu tun? „Wie geht es Prinzessin Saravelda?", fragte er aufs Geratewohl.
    „Bedauerlicherweise ist Saravelda verschwunden. Sie ist schon seit längerem nicht
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