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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)
Autoren: Hannes Wertheim
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hielt nicht viel von der Weißen Magie der Kirche, schwieg aber. Van Geldern reckte den Hals, um dem frömmelnden Geschwätz zu entgehen. Der Bürgermeister verbeugte sich eben vor Don Cristobal und zog davon, um in der Morgenansprache vom Balkon am Rathausplatz die neuen Edikte über das Halten von Schweinen in den Gassen und die Beseitigung des Schmiedeabfalls zu verlesen. Die Kölner waren recht nachlässig in Fragen der Sauberkeit, und trotz Androhung des Halseisens ließen die Brauer und Bäcker ihre Säue und Ferkel noch immer im Straßenkot schnüffeln und sich dort suhlen.
    Don Cristobal sah sich suchend um.
    »Wirklich, van Geldern«, schwatzte Galisius, »ich muß mich wundern über Eure Freigeisterei, und das im Beisein von Vertretern seiner heiligen katholischen Majestät und ...«
    Dann der Triumph. Der Blick des Spaniers traf van Geldern. Der Grande beugte vornehm und wie erleichtert sein Haupt. Van Geldern war ausgezeichnet vor allen. Das Fest am Abend würde ein Weiteres tun, um ihn über die Niederungen kleingeistigen Gezänks zu erheben. Er war wieder wer, unverzichtbar für die höchsten Kreise, seine Wechsel stiegen unmittelbar im Wert.
    Er raffte energiegeladen seinen Mantel und warf einen letzten Blick auf Birckmann, der in die Betrachtung des Alten Markts vor dem Fenster versunken schien. Van Geldern folgte Birckmanns Blick und stutzte. Zorn flammte in ihm auf, brennender als jeder Blasenschmerz. Zwischen den Gaddemmen und Kauflauben sah er eine schlanke Gestalt im schwarzen Umhang. Die Kapuze war ihr vom Kopf geweht, darauf leuchtete eine Kappe aus weinrotem Samt.
    Mit geröteten Wangen eilte Columba über den Markt.
    Was zum Teufel hatte seine Tochter auf der Straße verloren? Schon wieder allein! Nein, nicht ganz allein, mit einem Aufseufzen erkannte van Geldern den Verfolger.
    3
    D em widerlichen Gestank des Filzengrabens wußte auch der Frost nichts anzuhaben. Columba drückte ihre Hand vor Mund und Nase, während sie neben dem stinkenden Bächlein von Springstein zu Springstein hüpfte. Gerberlauge, Waidmus und die Filzabfälle der Hutmacher ließen das dunkel verfärbte Rinnsal in der Mitte der Gasse dampfen. Kinder in schmutzigen Kitteln und mit laufenden Nasen setzten Holzscheite hinein und trieben ihre Schiffe mit Stecken dem Hafen zu.
    Columba lächelte. Sie hatte den gleichen Weg. Dumpfes Huftrappeln ließ sie aufhorchen, sie wandte sich um, gerade noch rechtzeitig, um sich gegen die Wand eines Häuschens zu drücken. Drei geharnischte Reiter, einer in kölnischer, zwei in spanischer Soldatentracht sprengten heran. Die Nüstern der Gäule dampften, sie schlitterten auf den vereisten Pfützen, und die Reiter lenkten sie durch das Bächlein, wo sie die Schiffe der Kinder zertraten und den Schlamm aufspritzen ließen. Die Männer hielten mit grimmigen Mienen auf den Thurnmarkt zu, wo die spanische Delegation in Kölns vornehmsten Gasthäusern logierte. Der Kölner holte mit einem Stock aus und schlug nach einem Gassenjungen, der mit einer Peitsche aus Aalhaut einen Kreisel tanzen ließ. »Fort da, Lausepack, macht Platz. Räumt die Gasse!«
    Columba runzelte ärgerlich die Stirn, was sollte das? Warum erlaubte die Stadt den Spaniern ein solches Auftreten in ihren Mauern? Sie beugte sich zum Bach hinab und rettete eines der Schifflein. Der kleine Besitzer dankte stumm. Columba tat einen letzten Sprung, und der ärgste Teil der Straße lag hinter ihr. Zur Rechten erhob sich das Zunfthaus der Faßbinder mit seinem modischen Stufengiebel und dem bunten Wappenschmuck. Mit wenigen Schritten passierte sie den Holzmarkt mit seinen bemalten Kaufmannshäusern, erreichte die Stadtmauer mit dem überdeckten Wachgang und durchquerte im Gedränge von Hafenarbeitern und Marktgängern das Tor zum Kai.
    Auf der anderen Seite begrüßte ein Branntweinhocker johlend das Mädchen. Er hatte ein aufgebocktes Holzbrett vor sich, auf dem das kleine Faß stand, aus dem er zapfte. »Einen Trunk für einen Weißpfennig, Mädchen!« rief er zahnlos. Sein Gesicht war ein Netz von roten Adern, er selbst sein bester Kunde. »Macht die Wangen voll und rund. Komm, ich schenk dir ein. Gib mir deine Gunst.«
    Die umstehenden Schiffer- und Ruderknechte in ihren groben Lederblusen und Leinenkutten, die das Eis zum Müßiggang zwang, klatschten angeregt Beifall. So angespornt streckte der Branntweinhändler die knotige Hand nach Columbas Röcken aus. »Komm, meine Schöne, du bist gerade recht, nicht zu dünn und nicht zu
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