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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)
Autoren: Hannes Wertheim
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diesen garstigen Wiedertäufern, die man in Eurem Garten fand?«
    Van Geldern zog den Marderkragen seines Mantels näher an den Hals. Ihn fror.
    »Der Anführer ist, wie Ihr wißt, längst enthauptet, die Weiber sind der Stadt verwiesen, einen Rest verhört man peinlich«, erklärte er widerstrebend, »und erfährt nicht viel außer schimpflicher Gotteslästerei. Sie glauben nicht, daß Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi verwandelt wird, sondern es Brot und Wein bleibt, und anderen Unsinn.«
    »War nicht auch Eure Tochter an jenem Abend zugegen?« Das war ein gemeiner Schlag. Van Geldern mußte ihn direkt parieren, obwohl er wußte, daß eine Verteidigung immer den Beigeschmack einer Selbstanklage hatte.
    »Sie liebt die Kühle und das lachende Grün der Gärten. Sie kam spät von einem Spaziergang vor den Mauern heim und wollte kurz in unserem Kelterhaus ausruhen. Niemand«, van Geldern betonte das Wort, »hat je daran gezweifelt.« Birckmann blickte zur Seite – auch diesmal nur auf seinen Vorteil bedacht, und der lag nicht darin, sich in Gespräche über Wiedertäufer einzumischen.
    »Die Weiber sind leicht verführbar«, bemerkte Galisius spitz. »Der beste Ort für hitzige Weibsgemüter ist und bleibt das Kloster, möchte ich meinen. Darin gebe ich den von mir so hochverehrten Jesuiten völlig recht. Ein Segen sind sie, gerade hier in Köln. Dieser Glaubenseifer, diese Frömmigkeit.« Verzückt riß er die Augen auf.
    »Ich denke, daß meine Familie fromm genug ist«, entgegnete van Geldern heftig. »Meine Schwägerin Rebecca lebt seit vier Jahren als Begine in einem von ihr gestifteten Konvent von zwölf Frauen. Sie setzt ihr ganzes Vermögen dafür ein.« Der letzte Satz war unterfüttert mit Abscheu.
    »Beginen!« rief Galisius verächtlich. »Sie waren schon dem letzten Papst ein Dorn im Auge. Legen keine ewigen Gelübde ab, dürfen ihr Vermögen frei verwalten und behalten, können jederzeit den Bund mit Gott wieder lösen. Und dann erst die Vielzahl der Häretikerinnen, die sich unter ihnen befinden! Das ist zuviel der Freiheit. Gefährliche Weiberbündnisse sind das, der Teufel hat ein leichtes Spiel mit den Beginen.«
    Das Gespräch wurde van Geldern lästig. Wiedertäufer, Lutheraner, Jesuiten. Im Laufe dieses bewegten Jahrhunderts hatte man bisher viele Ideen zu Staub zerfallen sehen, und immer reiften neue nach. Man konnte ein ganzes Volk verbrennen, aber nicht Ideen. Wann würden Menschen wie dieser Galisius es jemals begreifen? Sie steuerten einen Nachen in wildbewegtem Meer und glaubten den Brechern entkommen, sie sogar lenken zu können. Die Zeit würde über sie hinwegrollen. Längst war die Hälfte aller deutschen Landesfürsten protestantisch.
    Mit gutem Grund, denn so durften sie die kirchlichen Güter einziehen, wertvolle katholische Pfründen selbst verteilen und verwalten. Ein einträgliches Geschäft, und die Zukunft liegt im Geschäft, dachte der Kaufmann. Philipp und alle unerbittlichen Glaubensverfechter waren Herrscher der Vergangenheit und des Vergehenden. Aber er hütete sich, das zu sagen, denn diese Männer, die dem Jenseits auf Erden zu seinem Recht verhelfen wollten, waren die Männer, die seine Welt regierten. Im katholischen Köln war es am nützlichsten, katholisch zu sein. Das war eine einfache Mathematik, und van Geldern liebte die Welt der Zahlen weit mehr als die Welt der Ideen und Gedanken, in der alles unberechenbar war.
    Er haßte die Glaubenshelden wie die Glaubensmärtyrer, und er spürte seinen kalten Haß so deutlich wie die Steine, die in die feine Haut seiner Blase schnitten und sie zu zerspalten schienen. Er biß auf seine dünnen Lippen und schluckte.
    »Die Steine?« fragte Birckmann, froh, von Galisius und dem Religionsgespräch ablenken zu können.
    Van Geldern nickte, Schweiß verklebte ihm die fahl gewordenen gelben Stirnhaare.
    »Ich empfehle Euch das Harfenspiel«, sagte der Doktor fröhlich. »Wenn mir nicht wohl ist, lege ich mich zu Bett und lasse einen Harfenspieler kommen. Ganz so wie die griechischen Medici es empfahlen.« Er war mit Leidenschaft den humanistischen Wissenschaften zugetan, der heiteren Welt der Antike, die so licht ins Dunkel der Glaubensstreitigkeiten schien und den Anfang des Jahrhunderts so golden überglänzt hatte.
    »Heidnischer Unsinn«, protestierte Galisius eifernd. »Hingegen ein oder zwei Rosenkränze, die Berührung eines heiligen Knöchelchens wirken leicht Wunder.«
    Birckmann verdrehte leicht die Augen, er
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