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Die vierzig Geheimnisse der Liebe / ebook

Die vierzig Geheimnisse der Liebe / ebook

Titel: Die vierzig Geheimnisse der Liebe / ebook Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elif Shafak
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es als Erstes lesen würde. Während er es schrieb, hatte er sich sie als Leserin vorgestellt. Den Gedanken fand Ella nicht nur beunruhigend, sondern, ohne es sich recht erklären zu können, auch aufregend.
    Das einundzwanzigste Jahrhundert unterscheidet sich im Grunde gar nicht so sehr vom dreizehnten. Beide werden als Ära beispielloser religiöser Konflikte, kultureller Missverständnisse sowie einer allgemeinen Verunsicherung und Angst vor dem anderen in die Geschichte eingehen. In solchen Zeiten bedarf es der Liebe mehr denn je.
    Plötzlich fuhr ihr eine kühle Bö ins Gesicht und wirbelte die Blätter auf der Veranda durcheinander. Das zauberfarbige Licht der untergehenden Sonne sank auf den westlichen Horizont zu, und die Luft bekam etwas Flaues, Freudloses.
    Denn die Liebe ist der eigentliche Kern, der eigentliche Zweck des Lebens. Rumi erinnert uns daran, dass sie jeden trifft, auch den, der sie meidet, und selbst den, der das Wort »romantisch« in missbilligender Absicht verwendet.
    Ella war so entgeistert, als hätte sie gelesen: »Die Liebe trifft jeden, selbst eine Northamptoner Hausfrau mittleren Alters namens Ella Rubinstein.«
    Etwas in ihrem Inneren sagte ihr, dass sie das Manuskript sofort weglegen, ins Haus gehen, Michelle anrufen und ihr mitteilen müsse, dass sie unmöglich ein Gutachten über diesen Roman schreiben könne, doch stattdessen holte sie tief Luft, blätterte um und begann zu lesen.

A.Z. ZAHARA
    Süße Blasphemie
    ROMAN
    Sufi-Mystikern zufolge liegt das Geheimnis des Koran in der Sure al-Fatiha
    Und das Geheimnis von al-Fatiha in den Worten
    Bismillahirrahmanirrahim
    Und die Quintessenz der Bismillah im Buchstaben ba.
    Unter diesem Buchstaben befindet sich ein Punkt.
    Der Punkt unter dem ba symbolisiert das ganze Universum.

    Das Masnawi beginnt mit ba, dem lateinischen B,
    So wie alle Kapitel dieses Romans …

VORWORT
    B rodelnde religiöse Konflikte, politische Auseinandersetzungen, endlose Machtkämpfe – in Anatolien war das dreizehnte Jahrhundert eine unruhige Zeit. Im Westen erstürmten und plünderten die Kreuzritter auf ihrem Weg nach Jerusalem die Stadt Konstantinopel, was zur Aufteilung des Byzantinischen Reichs führte. Im Osten breiteten sich rasend schnell hochdisziplinierte Mongolenarmeen unter der Führung des militärischen Genies Dschingis Khan aus. Dazwischen bekriegten verschiedene türkische Stämme sich gegenseitig, während die Byzantiner nichts unversucht ließen, ihr verlorenes Land, ihren Reichtum und ihre Macht zurückzugewinnen. Eine von unerhörtem Chaos geprägte Zeit, in der Christen gegen Christen, Christen gegen Moslems und Moslems gegen Moslems kämpften. Wohin man blickte, herrschten Feindschaft, Leid und große Angst vor dem, was als Nächstes am Horizont heraufziehen würde.
    Mitten in diesem Chaos lebte ein angesehener islamischer Gelehrter mit Namen Dschalal ad-Din Rumi. Viele nannten ihn Maulana – »unser Meister« –, denn er hatte Tausende von Schülern und Bewunderern in der ganzen Region und darüber hinaus und galt allen Moslems als ein strahlendes Vorbild.
    Im Jahr 1244 lernte Rumi Schams kennen, einen Wanderderwisch mit unkonventionellem Gebaren, der ketzerische Reden schwang. Dieses Zusammentreffen veränderte das Leben beider Männer. Zugleich war es der Beginn einer engen, einzigartigen Freundschaft, die von Sufis in den darauffolgenden Jahrhunderten mit der Vereinigung zweier Ozeane verglichen wurde. Die Begegnung mit diesem außergewöhnlichen Gefährten ließ den orthodoxen Geistlichen Rumi zum leidenschaftlichen Mystiker und Dichter werden, zum Fürsprecher der Liebe und Urheber des ekstatischen Tanzes der kreisenden Derwische und zu einem Mann, der es wagte, sich über alle geltenden Regeln hinwegzusetzen. In einem Zeitalter tief verwurzelten religiösen Eifers und Streits stand er für eine universelle Spiritualität und lieh Menschen jedweder Herkunft ein Ohr. Nicht für einen nach außen gerichteten Dschihad – einen »Krieg gegen die Ungläubigen«, wie er damals wie heute von vielen geführt wurde – sprach Rumi sich aus, sondern für einen nach innen gerichteten Dschihad mit dem Ziel, die Nafs, das Ich, zu bekämpfen und schließlich zu besiegen.
    Doch diese Gedanken wurden nicht von allen gutgeheißen, so wie ja auch nicht alle Menschen der Liebe ihr Herz öffnen. Das starke geistige Band zwischen Schams und Rumi wurde zum Ziel von Gerüchten, von Verleumdung und Angriffen. Die beiden Männer wurden

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