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Die Verwandlung der Mary Ward - Roman

Die Verwandlung der Mary Ward - Roman

Titel: Die Verwandlung der Mary Ward - Roman
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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allen anderen Kontinenten.
    Walter wird dick vom Glück. Er bekommt sein Rheinkiesel-Jackett nicht mehr zu, doch das ist ihm egal. »Swaithey and Sky« sind von einer Plattengesellschaft namens TMS Records unter Vertrag genommen worden. Ich habe noch nie von ihr gehört. Es ist wohl nicht gerade Decca. Ich frage Walter: »Wofür steht denn die Abkürzung TMS?«
    »Ach«, meint er, »weiß ich nicht.«
    »Es spielt keine Rolle, wofür sie steht«, sagt Sky. »Das ist so wie mit WSM 650, dem Radiosender. Er wurde von einer Versicherungsgesellschaft gegründet, deren Slogan ›Wir sichern Millionen‹ war, und so wurde beschlossen, WSM als Sendername zu nehmen. Jetzt erinnert sich kaum noch jemand an das ›Wir sichern Millionen‹. Verstehst du, was ich meine? WSM ist gewissermaßen selbst zum Begriff geworden.«
    »Aber es hat wenigstens einmal etwas bedeutet«, beharre ich.
    Sky denkt, daß ich ein Pedant bin, dem man alles erklären muß. Sie sagt: »TMS kann alles heißen. Es kann Thunfisch-Mayonnaise-Sandwich heißen. Es kann ›Training morgen am Sonntag‹ heißen. Die Sache ist die, daß es egal ist. Von Bedeutung ist nur, daß sie uns unter Vertrag genommen haben.«
    Bentwater läßt sich jetzt das Haar fönen. Er hat seinen Alkoholkonsum reduziert und sein Wohnmobil ausgeräuchert. Zu mir sagt er: »Jetzt kriegen wir die Kurve zum Erfolg, Mart. Wir schaffen den Durchbruch. Wir müssen jetzt nur auf Draht sein.«
    Ich halte Audrey und Bill C. über alles auf dem laufenden. Sie haben noch nie etwas von TMS Records gehört. Bill C. rät: »Sag Walter, er soll darauf achten, was hinter seinem Rücken geschieht. Die Katze läßt das Mausen nicht.«
    Doch Walter paßt nicht auf. Das einzige, was ihm die Stimmung verderben kann, ist der Gedanke an Pete.
    Dieser hat ihm geschrieben, daß der Bus jetzt auf drei Seiten von Drahtzäunen umgeben ist. Dahinter sind Truthähne. Mehr als tausend. Pete ist ständig ihrem Kollern, Schnattern und Gestank ausgesetzt. In seinem Brief stand: »Ich werde noch verrückt. Wenn der Bus noch fahren könnte, würde ich einfach wegfahren.«
    »Was kann ich bloß tun?« fragt mich Walter.
    »Keine Ahnung.«
    »Ich muß etwas tun, weiß aber nicht, was. Ich verdanke Pete einfach alles.«
    Ich sage, daß ich darüber nachdenken werde: »Da draußen, wo ich jetzt bin, denke ich sehr viel nach.«
    Ich bin jetzt auf Richter Riveaux’ Hof.
    Der Hof ist von dreierlei mit Beschlag belegt: von Schweinen, Sommerobst und Federvieh. Überall rennen, flattern und fliegen Pfauen, Perlhühner, Truthähne, Fasane, Hühner, Gänse und Tauben herum. Die Pfauen leben auf dem Dach.Manchmal kommen sie auch in die Küche. All diese lebenden, umherwandernden Vögel hatten der verstorbenen Mrs. Riveaux besonders am Herzen gelegen.
    Den Job hat mir Bentwater Bliss vermittelt. Ich hatte ihm erzählt, daß ich gern von dem Supermarkt weggehen und auf dem Lande arbeiten würde, wo ich Obst oder Bohnen pflücken könnte. Er hatte sofort gesagt: »Ich rufe den Richter an. Er sucht jemanden. Mrs. Riveaux hat das dort ganz allein verwaltet, nur unterstützt von dem alten Jeremiah Hill. Der Richter dachte, was sie gekonnt hat, könne er auch. Er sagte sich: Zum Teufel, sie war nur eine Frau! Was sie gekonnt hat, kann ich erst recht, und zwar doppelt so schnell. Doch er kann es nicht. Er steht vor einem Rätsel, aber er kann es nicht.«
    Bent fuhr mich also hierher. Das weiße Blockhaus hat ein Schindeldach und vier Öfen, in denen Holz verbrannt wird. Es gibt keinen Garten, wie ja auch der Hof in Swaithey keinen richtigen hatte. Die Farm fängt direkt hinter dem Haus an. Dort sind die Ställe, wo die Schweine im Winter untergebracht werden, und gleich daneben das niedrige Ziegelhaus, in dem Jeremiah Hill mit seiner Familie wohnt. Hinter den Bohnenfeldern fließt ein Bach, wo ein altes Kanu angebunden ist. Und jenseits des Baches schließt sich ein Wald mit Buchen, Kastanien, Hickorybäumen und Immergrünen Eichen an. Die Tauben sind hier rosa-grau und in einem weißen Taubenschlag, der auf einem Pfosten steht, untergebracht.
    Richter Riveaux spricht so leise, daß man ihn kaum verstehen kann. Man fragt sich, wie er sich im Gerichtssaal Gehör verschafft hat.
    Als ich mit Bent eintraf, hatte Beulah, Jeremiahs Frau, Tee zubereitet und einen Ananaskuchen gebacken. Jeremiah und Beulah sind Schwarze. Sie haben Zwillinge, die sieben Jahre alt sind und Lettie und Glorie, Kurzformen für Violette und Gloria, heißen. Jeremiah
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