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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen
Autoren: Ursula Poznanski
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seine Untergebenen. »Sie hüten wichtigere Geheimnisse«, hat Quirin gesagt, »ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass sie eurer Versteck nicht verraten.«
    Die Pfahlbauten und ihre Bewohner. Eine Darstellung der Cultur und des Handels der europäischen Vorzeit ist das Buch, das ich gestern zuletzt eingeordnet habe. Es stammt aus dem Jahr 1866, aus einer Zeit, die ich mir trotz aller Bemühungen nicht vorstellen kann. Dann schon eher die Vorzeit, von der das Werk handelt. Manche der Clans leben wie die Menschen damals. Ursprünglich. Aufs Wesentliche konzentriert – essen, schlafen, Wärme, Sicherheit.
    Die Seiten des nächsten Buchs, das ich vom Boden aufhebe, sind miteinander verklebt, der Titel auf dem Rücken nicht mehr lesbar. Ich lege es auf den Stapel der verlorenen Bücher, wie ich ihn nenne. Mit Bedauern, wie immer. Verlorene Bücher sind verlorenes Wissen, verlorene Geschichte, verlorene Gedanken. In mein Bedauern mischt sich auch diesmal wieder die Befürchtung, dass Jordans Chronik das gleiche Schicksal erlitten haben könnte. Dass ich vielleicht gerade eben das Buch, das ich so verzweifelt suche, auf den Stapel derer gelegt habe, die niemand mehr entziffern kann.
    Wenn es so ist, lässt es sich nicht ändern. Ich greife nach dem nächsten.
    Die Wasserräder und Turbinen, ihre Berechnung und Konstruktion . 1903 geschrieben. Ich blättere es vorsichtig durch, betrachte die Abbildungen. Das könnte man verwenden, um ein Wasserrad für den Fluss zu bauen, der die Stadt durchfließt. Ich packe das Buch auf den Stapel Nützliches für den Alltag. Weiter. Das nächste Buch. Das nächste. Die Zeit tritt in den Hintergrund.
    Als mir plötzlich jemand auf die Schulter tippt, fahre ich mit einem Schrei herum, aber es ist nur Bojan, der eine stumpfgelbe Plastikschüssel mit einem Stück Fleisch und einem bräunlichen Fladen bringt, dazu einen Blechkrug mit Wasser.
    »Tut mir leid, dass ich dich erschreckt habe. Hast du mich nicht rufen gehört? Ich habe auch an die Tür geklopft.«
    Ich nehme ihm das Essen ab. »Nein, entschuldige bitte. Ich habe gelesen und nichts um mich herum bemerkt.«
    Er schüttelt den Kopf, sodass der blonde Zopf, der ihm über den halben Rücken fällt, hin- und herschwingt. »Das ist unvorsichtig. Es kommen keine Schlitzer hier rein, denke ich, aber zwei Scharten mussten wir schon mal vertreiben.« Er legt seine Stirn in nachdenkliche Falten. »Ich könnte für dich die Tür bewachen. In einer Stunde müsste ich mit der Arbeit fertig sein, die Quirin mir gegeben hat, und dann …«
    Ich lege ihm die Hand auf den Arm. »Danke, Bojan. Das ist ein großzügiges Angebot, aber es kommt gar nicht infrage, dass du deine Zeit für mich opferst. Ich passe jetzt besser auf.«
    Er legt den Kopf schief. Achtzehn ist er, hat Fiore mir erzählt, genauso alt wie ich, doch die liebenswerte Naivität, die er an den Tag legt, lässt ihn jünger erscheinen.
    »Schade, dass du nicht mit hinaufkommen kannst. Aber einer von den Jägern ist gebissen worden und liegt oben, Quirin kümmert sich gerade um ihn.«
    Ja, schade. »Wolfsbiss?«
    Bojan nickt. »Hat den Unterarm erwischt und nicht losgelassen. Aber Quirin sagt, er wird wieder.«
    Ich frage mich, ob ich den Jäger kenne. Wahrscheinlich, denn ich bin auch mit auf der Jagd gewesen, während meiner Zeit an der Oberfläche.
    Insgeheim hoffe ich, dass es Yann war, den der Wolf erwischt hat.
    Das Fleisch ist kühl und ein wenig zäh, ich könnte mir vorstellen, dass es Ziege ist. Der Fladen ist einer von denen, die aus gestampftem Moos gemacht werden, der muffige Geschmack ist mir mittlerweile vertraut. Innerhalb von fünf Minuten habe ich alles aufgegessen, mit einer Gier, die mich selbst erstaunt. Als ich noch in den Sphären gelebt habe, musste ich mich oft zum Essen zwingen, jetzt picke ich die letzten Krümel mit dem Finger auf, bevor ich Bojan die Schüssel zurückgebe. »Danke.«
    »Gern geschehen.« Er druckst noch ein wenig herum, blinzelt. »Falls du Hilfe brauchst«, mit einer vagen Handbewegung deutet er auf den riesigen Bücherspeicher, in dem wir sitzen, »dann frag mich ruhig. Ich kenne mich ganz gut aus in diesen Schluchten.«
    Schluchten. Das ist ein treffender Vergleich. Doch obwohl mich die schiere Größe des Depots immer wieder einschüchtert, bin ich hier lieber allein. Ich kann es nur schwer erklären, aber ich habe das Gefühl, dass sich die größten Kostbarkeiten nur dann zeigen werden, wenn niemand stört. Dass ich sie rufen
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