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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen
Autoren: Ursula Poznanski
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Punkt der Ruinenmauer gegenüber. Ich glaube, ich habe Lederriemen an seinem rechten Bein gesehen.
    Dann sollte sein Besitzer nicht weit sein. Er müsste jeden Moment den Platz überqueren, hinter dem Denkmal auftauchen, ich kann ihn gar nicht übersehen. Doch es pocht an der Saaltür, bevor sich auch nur ein Schatten vor dem Fenster blicken lässt.
    Sie sind zu zweit, Vilem und Sandor. Der Fürst und der Than, sein vorherbestimmter Nachfolger. Fiore begleitet sie herein, bleibt aber nicht, sondern möchte gemeinsam mit Bojan und zwei anderen eine Runde um die Bibliothek drehen. »Jemand hat Scharten gesehen. Ich will sichergehen, dass sie wieder verschwunden sind.«
    Vilem bietet ihr an, die vier Jäger, die mit ihm gekommen sind, auf den Patrouillengang mitzunehmen, was Fiore dankend akzeptiert.
    Der Clanfürst wirkt erschöpft. Ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen, nicht, seitdem wir uns unter der Stadt verstecken. An seiner Schläfe verheilt eine grob genähte Wunde und er zieht sein linkes Bein nach – kaum wahrnehmbar, ich bemerke es selbst erst, nachdem er schon fast vor Quirin steht. Mir scheint es, als wäre sein langes Haar seit unserem letzten Treffen grauer geworden und der Haaransatz weiter nach hinten gerückt.
    Sandor bleibt im Schatten des Fürsten. Seine Schritte sind lautlos auf dem glatten Steinboden und er wirkt noch wachsamer als sonst. Sprungbereit. Hat er nicht mit unserer Anwesenheit gerechnet?
    Ich löse mich aus der Nische neben dem Fenster, gespannt, ob einer der beiden Männer von meinem plötzlichen Auftauchen überrascht sein wird, aber ich müsste mich wesentlich geschickter tarnen, um von ihnen übersehen zu werden. Sie sind Jäger. Ihnen entgeht kaum etwas – darin sind wir uns ähnlich.
    »Vilem!« Quirin ist von seinem Platz aufgestanden, wie nebenbei wendet er die Skizze um, über die er, Aureljo und Dantorian sich eben noch gebeugt haben. Der Fürst und er umarmen sich kurz – ein graubrauner und ein schneeweißer Mann. »Was ist passiert?«
    Es sind blitzschnelle, sparsame Fingerbewegungen, mit denen Sandor und Vilem sich verständigen. Die Zeichensprache der Jäger. Ein paar der Gesten kenne ich bereits, aber meistens habe ich keine Chance, einer solchen Unterhaltung zu folgen, auch jetzt nicht, und es bringt mich jedes Mal aus der Ruhe. Die Äußerungen anderer Menschen zu analysieren und zu interpretieren, das war mein Schwerpunkt an der Akademie. Nicht nur das zu deuten, was gesagt, sondern vor allem das, was verschwiegen wird. Angesichts dieser Zeichensprache fühle ich mich, als hätte ich plötzlich einen meiner wichtigsten Sinne verloren.
    Arbeite mit dem, was vorhanden ist , waren Graukos Worte, meist dann, wenn ich mich über die Schwierigkeit einer Aufgabe beschwerte. Es gibt immer Material, du musst es nur verwenden .
    Ich konzentriere mich also auf die Haltung und die Mienen der beiden Männer und komme zu dem Schluss, dass Sandor Bedenken hat und Vilem sie nicht gelten lassen will. Die Unstimmigkeit hat mit uns zu tun, Sandors Blick schnellt flüchtig zu Aureljo und Dantorian hinüber. Seine Gesten sind kurz und hart, die von Vilem gelassener. Würden sie sich mit Worten unterhalten, klänge seine Stimme vermutlich beschwichtigend.
    Sie haben etwas Dringendes mit Quirin zu besprechen und Sandor will nicht, dass wir dabei sind, während es Vilem nicht allzu sehr stört.
    Quirin scheint zu begreifen, wo das Problem liegt. Mit einem Kopfnicken gibt er Aureljo und Dantorian zu verstehen, dass sie ihre Hocker für die Neuankömmlinge frei machen sollen.
    Im Aufstehen zieht Dantorian seine Skizze vom Tisch und rollt sie dabei mit einer geschmeidigen Bewegung zusammen.
    »Ich würde gern mit dir allein sprechen«, erklärt Sandor an Quirin gewandt, während er einen der Hocker zu sich heranzieht. »Ohne die Lieblinge.«
    Ich sehe Dantorian flüchtig grinsen, bevor er sich abwendet. Ebenso wie Tycho findet er den Namen, den die Außenbewohner uns verpasst haben, höchst amüsant. Lieblinge des Schicksals , hat Melchart, der Mann, der die Sphären erdacht hat, uns Bewohner in seiner berühmtesten Rede genannt, und die Clans gebrauchen diesen Begriff mit ebenso viel Hohn wie wir Sphärenbewohner den Ausdruck Prims.
    »Warum nicht einfach offen sein?«, entgegnet Quirin. »Von Aureljo und den anderen haben wir am wenigsten zu befürchten, sie begegnen niemandem, an den sie uns verraten könnten.«
    Vilem nickt. »Der Meinung bin ich auch.« Nun, da ich seine
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