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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen
Autoren: Ursula Poznanski
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sich das Virus vielleicht sogar selbst injizieren, wenn sie wüssten, dass sie damit zur tödlichen Gefahr für die Sphären werden.« Er zuckt mit den Schultern. »Aber das ist nicht mehr nötig. Mit Aureljo und Dantorian sind zwei Krankheitsträger in Vienna 2, unter falschem Namen, also kann der Bund sie nicht identifizieren, solange die Krankheit nicht in aller Heftigkeit ausbricht. Und dann wird es zu spät sein.«
    Ich kann es nicht fassen. Aber in Quirins Miene lese ich unerschütterliche Entschlossenheit; er wird sich seinen Plan von mir nicht zerstören lassen.
    »Denk nicht, dass mir das leichtfällt. Alle Kinder der östlichen Linie unseres Clans habe ich zumindest einmal im Arm gehalten, viele öfter. Manche waren schon zwei Jahre alt, als sie entführt wurden, Tycho war fast drei. Ich habe sie behandelt, wenn sie krank waren, habe versucht, Mittel zu finden, um die Unterernährung in den Griff zu bekommen. Sie sterben zu lassen, ist grauenvoll für mich, aber –« Sein Blick ist nach innen gerichtet. In eine vergangene Zeit.
    »Es war entsetzlich für die Eltern, wenn ihre Babys geraubt wurden. Du kannst es dir nicht vorstellen, aber durch Dhalion konnte ich dem immerhin einen Sinn geben. Wir würden die Kinder nicht wiedersehen, sie würden als Lieblinge aufwachsen, doch jedes entführte Kind brachte ein Geschenk mit.«
    Ich bin noch dabei, eine scharfe Entgegnung zu formulieren, als Quirin den Kopf schief legt. Ein Lächeln kräuselt seine Lippen und sein nächster Satz nimmt mir allen Wind aus den Segeln.
    »Ich könnte mir vorstellen, du würdest gern deine Familie kennenlernen.«
    Warum ich selbst bisher nicht daran gedacht habe, weiß ich nicht. Es muss damit zu tun haben, dass ich mich so lange als Produkt eines Genlabors gesehen habe – das Bild ist so deutlich in meinem Kopf, dass es mir fast wie eine Erinnerung erscheint.
    Aber ich bin ein Clanmädchen. Natürlich habe ich eine Familie.
    Wären da nicht Tomma, Neumünster und die Weigerung, mir das Serum auszuhändigen, ich würde Quirin mit Fragen bestürmen.
    Aber die Genugtuung gönne ich ihm nicht.
    Ich weiche schweigend zurück, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Dieser Kampf ist noch nicht zu Ende, ich werde Dhalions freundlichen Bruder in die Hände bekommen, egal wie.
    »Ria«, sagt Quirin, kurz bevor ich die Tür erreiche. »Ich wünsche mir so sehr, du würdest mich verstehen.«
    Bis zu einem gewissen Grad tue ich das und es macht mir Angst. Ich verstehe ihn, ich verstehe die Sphären, gleichzeitig hasse ich, was sie tun. Beide.
    Als Ria, Nummer 7 der Borwin-Akademie, war ich überzeugt davon, auf der richtigen Seite zu stehen. Auf der der Guten. Später, als die Dornen mich aufgenommen hatten und ich wusste, was die Sphären den Clans antaten, war das zwar verstörend, aber nichts im Vergleich dazu, wie ich mich jetzt fühle.
    Es gibt keine Seite, auf die ich mich schlagen könnte. Niemanden, den ich unterstützen möchte. Kein Gut, kein Böse, auf jeden Fall kein Richtig.
    Als ich die Tür in meinem Rücken spüre, drehe ich mich um, drücke die Klinke nach unten und falle mehr nach draußen, als dass ich gehe.
    Sandor fängt mich auf. Ich klammere mich an ihm fest und er stützt mich auf meinem Weg die Treppen hinunter.
    »Möchtest du in euer Gewölbe? Zu Tycho?«
    »Nein.« Ich brauche Zeit, ich kann Tycho nicht mit dem Wissen gegenübertreten, dass er den Tod in sich trägt und ich nichts dagegen tun kann. Zumindest im Moment nicht.
    »Ich wäre gern an einem Ort, wo ich den Himmel sehen kann. Wo niemand uns findet.«
    Es gibt so vieles, worüber ich nachdenken muss.
    Während Sandor mich durch die Gänge unter der Stadt führt, finden wieder einige Puzzlestücke ihren Platz. Die Tatsache etwa, dass Fleming als Maulwurf mit auf unsere Reise geschickt wurde. Er war ausgebildeter Mediziner, vielleicht sollte er uns beobachten. Oder kurz nach unserem Tod Blut- und Gewebeproben nehmen. Etwas in dieser Art.
    Ich erinnere mich an sein von Sorgen durchfurchtes Gesicht. Und dass er sich immer besonders gut geschützt hat, wenn er einen von uns verarztete. Das fand ich damals drollig.
    Wie schlimm müssen diese letzten Wochen seines Lebens für ihn gewesen sein. Zu wissen, dass wir dieses tödliche Virus in uns tragen, und es uns nicht sagen zu dürfen. Eine der Nachrichten, die er mit seinem Kontaktmann bei den Exekutoren getauscht hat, kommt mir wieder in den Sinn:
    Gebt die Jagd auf, die Verschwörung ist zum Scheitern verurteilt.
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