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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane
Autoren: Rolf Ackermann
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penetrant. Es war über ihnen, gedämpft durch den Sand auf dem Wagen und dennoch schmerzhaft laut. Sie war ein wenig traurig, dass diese schöne Reise so abrupt unterbrochen wurde. Gerne hätte sie noch ein wenig weitergeträumt. Doch mit Peters Rufen flammten plötzlich die letzten Funken Leben und Hoffnung in ihr zu einem lodernden Verlangen auf. Nein, sie wollte noch nicht sterben. Das war doch zu früh. Viel zu früh! Sie war noch so jung und schön und wissbegierig und hatte noch so viel vor. Außerdem hatte sie noch nicht vollendet, was sie vor vielen Jahren angefangen hatte und nun mit Peters Hilfe beenden konnte. Sie hatten die Karawane, die Wahrheit und Prinzessin Sahel gefunden. Das war kein Zufall gewesen. Niemals! In einem unendlichen Meer aus Sand waren sie ausgerechnet hier stecken geblieben, direkt über der versunkenen Karawane. Jemand – Er? – wollte, dass sie lebten, der Welt berichteten, was geschehen war. Hatte der Schöpfer Peter und sie auserkoren, wie einst Lot mit seinem Weib und seinen Töchtern, der Nachwelt zu berichten, auf dass die Menschen seine Gebote in Zukunft befolgten?
    Jahzara schüttelte ihr Haupt, kehrte zurück von der Pforte zum Jenseits. Sie öffnete abermals die Augen, sah den Sand an den Fenstern, spürte, wie ihre Lungen nach Luft gierten. »Was… was ist das? Woher kommt dieses Dröhnen über uns? Wieso bebt die Erde? Mir ist so heiß. Ich bekommen keine Luft mehr.«
    Peter schrie. Irgendwie hörte es sich wie Freudenschreie an.
    Jahzara verstand nicht, warum. Er presste sie an sich und weinte dabei. Sein Feuerzeug ging aus, weil es in ihrem Grab keinen Sauerstoff mehr für die Flamme gab. Sie sah nichts mehr. Um sie herum war es wieder dunkel. Die Luft war stickig. Jahzara atmete schneller und schneller, gierte nach Sauerstoff. Ihr wurde schwummrig. Peters Schreie wandelten sich in seltsame Gurgellaute. Dann geschah plötzlich etwas sehr Seltsames. Das Dröhnen war auf einmal so nahe, so Furcht erregend dicht über der Dunkelheit in ihrem Wagen, dass Jahzara sich ängstlich duckte. Ihr Herz überschlug sich. Was waren das für Geräusche? Es hörte sich an wie Sand, der über die Karosserie des Wagens zu fegen schien, am Lack kratzte, wie ein Sandstrahlgebläse das Gestänge des Dachgepäckträgers polierte.
    Peter schien benommen. Sie sah ihn nicht, spürte nur seine auffällig langsamen Bewegungen. Er schien sich auf den Sitz stellen zu wollen, keuchte, atmete sehr kurz. Das Dröhnen überlagerte alle anderen Geräusche. Sie sah und hörte nicht, was Peter tat. Sie spürte nur Vibrationen.
    Unversehens tat es einen dumpfen Schlag. Sie starrte in die Dunkelheit über ihr. Sand rieselte ihr in die Augen. Da war ein schwacher Lichtschein, der größer und breiter wurde. Luft strömte in das Wageninneren. Wenig. Aber genug zum Leben.
    Peter stand neben ihr auf dem Fahrsitz. Seine Schultern drückten die Dachluke nach oben. Er ächzte, stöhnte, schien vor Anstrengung fast zusammenzubrechen. Doch er schaffte es. Mit einem lauten Knall flog die Luke auf. Die Sonne war im diffusen Licht zu erahnen. Sand rieselte in den Wagen, über Jahzaras Körper. Das Knattern über ihnen war nicht mehr auszuhalten, schmerzte in den Ohren. Aber es war eine wunderbare Luft, die nun in einem Schwall in den Wagen strömte. Leben durchströmte ihre Lungen. Das Blut begann, in den Adern zu pochen. Und endlich erkannte Jahzara, was über ihnen war: ein Hubschrauber! Er schwebte wie ein Untier nur wenige Meter über dem Wagen. Sie sah grünes Metall, Sandfontänen, Peters angestrengtes, doch so unglaublich glückliches Lachen.
    »Raus, Jahzara! Komm raus!«, brüllte er und reichte ihr seine Hand. Sie fühlte die Stärke seiner Arme, ließ sich ziehen, stützte sich mit den Füßen ab. Dann lag ihr Oberkörper auf dem Dach des Wagens. Es war so wunderbar hell. Die Rotorblätter des Hubschraubers peitschten den Sand in ihr Gesicht. Sie konnte kaum etwas sehen, spürte nur, wie Peter sie umklammerte, sie zu sich heranzog. Da war ein Seil um ihrer Hüfte, das Klicken von Karabinerhaken und die zwei Arme von Peter. Willenlos ließ sie geschehen, was er tat. Ein Ruck, ein kurzer Schmerz. Dann schwebte sie, wurde davongetragen, glitt eng an den Körper von Peter geschmiegt über die Dünen, baumelte durch die Lüfte und fühlte sich auf einmal unfassbar leicht und glücklich und dem Himmel so nahe, dass sie die Augen schloss und wünschte, dieses Gefühl würde nie enden.
    Andere Hände griffen nach
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