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Die Vermessung der Lust (German Edition)

Die Vermessung der Lust (German Edition)

Titel: Die Vermessung der Lust (German Edition)
Autoren: Catrin Alpach
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oder Claas? Egal. Jedenfalls der, der immer die hübschesten Mädchen ranschleppte und bei dem man den Geschlechtsverkehr deutlich hörte, obwohl er zwei Stockwerke höher wohnte. Bergengruen hatte sich von diesem Angebot geschmeichelt gefühlt. Er selbst hielt sich im eigentlichen Sinne nicht für attraktiv, aber was hieß das bei Männern schon. Männer bestachen durch ihr Charisma, durch die Art und Weise, wie sie mit Frauen umgingen, sie behandelten. Wertschätzung, so lautete das Zauberwort. Selbst wenn eine auf den ersten Blick ausgelutscht daherkam wie Monique, die eigentlich Elfriede hieß, sie hatte früher am Eingang zum Freibad gearbeitet und sich die Beine in den leider reichlich vorhandenen Bauch gestanden. Keine besonders befriedigende Nummer, aber weder Cora noch Nele, nicht einmal Chantal (»naturgeile Französin ohne Tabus«) hatten damals Zeit für ihn gehabt. Immerhin, sie war in der Lage gewesen, ihn zu erregen. Und er hatte sie mit Wertschätzung behandelt, so getan, als sei sie begehrenswert, was sie partout nicht war, das merkte er spätestens, als sie sich im Zimmer des schäbigen Stundenhotels auszog. Mein Gott, was für ein schlaffer Leib! Wenigstens hatte sie »Wow!!!« gesagt, mit mindestens drei Ausrufezeichen, ja, als er sich selbst nackt präsentierte. Und noch einmal »Wow!!!!!!!!« (Anzahl der Ausrufezeichen geschätzt), nachdem er gekommen war und sie beteuerte, ebenfalls gekommen zu sein. Er hatte es ihr sogar geglaubt, manchmal gelang ihm das nämlich. Das war eine der Sternstunden wahrer Liebeskunst: Es einer Nutte so zu besorgen, dass sie all ihre Geschäftsmäßigkeit vergaß und sich einfach bis zur völligen Auflösung hingab, ohne dauernd auf die Uhr zu schauen. Er hasste das sowieso.
    Hm, die Haare lagen jetzt einigermaßen. Nur das Ding da halt, dieser Pickel, der keiner war. Er wuchs sich zu einem Höcker aus, das gefiel Herrn Bergengruen keineswegs. Ach verdammt, gleich halb acht! Er musste schleunigst ans Wohnzimmerfenster, das zur Straße hin ging. Um halb acht kamen die Schulmädchen und schlenderten schäkernd vorbei. Wo, verdammt, lag der Feldstecher?
    Nein, er war kein Spanner! Er beobachtete nur gerne junge Mädchen, auf der Straße, im Freibad, auf der Liegewiese am Fluss. Heute war es warm genug für Hotpants, Herr Bergengruen begrüßte diesen Modetrend der Saison, so wie er vor Jahren bauchfrei euphorisch gefeiert hatte. Ah, da war ja das verdammte Ding. Jetzt aber Beeilung.

    *

    Dora verspürte heute Morgen wenig Lust sich anzuziehen. Normalerweise lief sie nicht nackt durch die Wohnung. Die lag im zweiten Stock und hatte keine Vorhänge, wohl aber ein identisches Gegenüber, einen ähnlich hässlichen Betonkasten mit vielen Fenstern, hinter denen gestörte Existenzen lebten, die nicht genug Geld für Biolebensmittel besaßen, sich aber teure Ferngläser leisten konnten.
    Nein, sie musste endlich etwas anziehen und aus dem Haus. Die alte Jeans, die Turnlatschen, das viel zu weite Shirt. Hey, sie war Doktorandin, also eigentlich noch Studentin, die liefen so rum! In diesem Aufzug konnte sie selbst dem schmierigen und dauergeilen Schiffler vor die Flinte laufen, ohne dass er gleich den Hahn spannen würde.
    Am Ende entschied sie sich dann doch für die neue, sehr enge schwarze Jeans und das weiße Top, unter dem ihr roter Büstenhalter einen neckischen Kontrapunkt setzte. Und die Pumps dazu? Warum nicht. Sollte Schiffler doch im Stehen träumen, wenigstens etwas, das er im Stehen konnte. Sie hatte ein Hauptseminar bei ihm gemacht, »die Auswirkungen pubertärer Sexualität auf das Essverhalten«, nicht übel, nein, er war durchaus eine Kapazität. Aber diese ständigen Blicke... sein Angebot, sich »dissertationsmäßig um sie zu kümmern«, weil doch ihr Thema - »Männer und Frauen als Konkurrenten in psychoanalytischer Sicht nach Wilhelm Reich« quasi sein eigenes Forschungsgebiet tangiere. Bei dem Wort »Forschungsgebiet« hatte er seinen Blick über ihren Körper schweifen lassen, als sei der eine Landschaft, die man schleunigst und ausgiebig entdecken müsse. Dora hatte sich dann für die Vulpius entschieden. Wenigstens baggerte die sie nicht an.
    Der Bus war überfüllt, es roch nach den Versäumnissen sorgfältiger Körperpflege. Jemand rempelte Dora an, drehte sich um, lächelte, sagte »Entschuldigung«, ein Student mit leicht verschlafenem Blick, irgendwie süß, aber zu oberflächlich alles. Sie nickte nur kurz und wandte sich ab.
    Lars war noch
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