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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Titel: Die verlorene Ehre der Katharina Blum
Autoren: Heinrich Böll
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eindeutig ein Hinweis auf einen schlechten
    Charakter, und, schon wütend und sehr gereizt, sagte Blorna: »Katharina ist eine
    sehr kluge und kühle Person« und ärgerte sich, weil auch das nicht stimmte und
    nicht andeutungsweise ausdrückte, was er hatte sagen wollen und hätte sagen
    müssen. Er hatte noch nie mit Zeitungen und schon gar nicht mit der ZEITUNG
    zu tun gehabt, und als der Kerl in seinem Porsche wieder abfuhr, schnallte Blorna
    die Skier wieder ab und wußte, daß der Urlaub hinüber war. Er ging zu Trude
    hinauf, die in Decken gehüllt wohlig, halb schlafend auf dem Balkon in der Sonne
    lag. Er erzählte es ihr. »Ruf doch mal an«, sagte sie, und er versuchte anzurufen,
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    dreimal, viermal, fünfmal, aber er bekam immer die Auskunft »Teilnehmer
    meldet sich nicht«. Er versuchte gegen elf abends noch einmal anzurufen, aber
    wieder meldete sich niemand. Er trank viel und schlief schlecht.
    22.
    Als er Freitag früh gegen halb zehn mürrisch zum Frühstück erschien, hielt Trude
    ihm schon die ZEITUNG entgegen. Katharina auf der Titelseite. Riesenfoto,
    Riesenlettern. RÄUBERLIEBCHEN KATHARINA BLUM VERWEIGERT
    AUSSAGE ÜBER HERRENBESUCHE. Der seit eineinhalb Jahren gesuchte
    Bandit und Mörder Ludwig Götten hätte gestern verhaftet werden können, hätte
    nicht seine Geliebte, die Hausangestellte Katharina Blum, seine Spuren verwischt
    und seine Flucht gedeckt. Die Polizei vermutet, daß die Blum schon seit längerer
    Zeit in die Verschwörung verwickelt ist. (Weiteres siehe auf der Rückseite unter
    dem Titel: HERRENBESUCHE ).
    Dort auf der Rückseite las er dann, daß die ZEITUNG aus seiner Äußerung,
    Katharina sei klug und kühl »eiskalt und berechnend« gemacht hatte und
    aus seiner generellen Äußerung über Kriminalität, daß sie »durchaus eines
    Verbrechens fähig sei«.
    Der Pfarrer von Gemmelsbroich hatte ausgesagt: »Der traue ich alles zu. Der
    Vater war ein verkappter Kommunist und ihre Mutter, die ich aus Barmherzigkeit
    eine Zeitlang als Putzhilfe beschäftigte, hat Meßwein gestohlen und in der
    Sakristei mit ihren Liebhabern Orgien gefeiert.«
    »Die Blum erhielt seit zwei Jahren regelmäßig Herrenbesuch. War ihre Wohnung
    ein Konspirationszentrum, ein Bandentreff, ein Waffenumschlagplatz. Wie kam
    die erst siebenundzwanzigjährige Hausangestellte an eine Eigentumswohnung
    im Werte von schätzungsweise   Mark! War sie an der Beute aus den
    Bankrauben beteiligt? Polizei ermittelt weiter. Staatsanwaltschaft arbeitet auf
    Hochtouren. Morgen mehr. DIE ZEITUNG BLEIBT WIE IMMER AM BALL!
    Sämtliche Hintergrundinformationen in der morgigen Wochenendausgabe.«
    Am Nachmittag auf dem Flugplatz rekonstruierte Blorna, was dann kurz
    hintereinander geschehen war.
    . Anruf des sehr aufgeregten Lüding, der mich beschwor, sofort
    zurückzukommen und mit dem ebenfalls sehr aufgeregten Alois in Verbindung
    zu treten. Alois, angeblich total aufgelöst – was ich bei ihm noch nie erlebt
    habe, mir deshalb unwahrscheinlich vorkommt –, zur Zeit auf einer Tagung für
    christliche Unternehmer in Bad Bedelig, wo er das Hauptreferat halten und die
    Grundsatzdiskussion leiten muß.
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    . Anruf von Katharina, die mich fragte, ob ich das wirklich so gesagt hätte,
    wie es in der ZEITUNG stand. Froh darüber, sie aufklären zu können, erklärte ich
    ihr den Zusammenhang, und sie sagte (aus dem Gedächtnis protokolliert) etwa
    folgendes: »Ich glaubs Ihnen, ich glaubs, ich weiß ja jetzt, wie diese Schweine
    arbeiten. Heute morgen haben sie sogar meine schwerkranke Mutter, Brettloh
    und andere Leute aufgestöbert.« Als ich sie fragte, wo sie sei, sagte sie »Bei Else,
    und jetzt muß ich wieder zur Vernehmung«.
    . Anruf von Alois, den ich wirklich zum erstenmal im Leben – und
    ich kenne ihn seit  Jahren – aufgeregt und in Angst sah. Sagte, ich müsse
    sofort zurückkommen, um ihn als Mandanten in einer sehr heiklen Sache zu
    übernehmen. Er müsse jetzt sein Referat halten, dann mit den Unternehmern
    essen, später die Diskussion leiten und abends an einem zwanglosen
    Beisammensein teilnehmen, könne aber so zwischen 1⁄2 und 1⁄2 bei uns zu
    Hause sein, später dann noch zu dem zwanglosen Beisammensein stoßen.
    ., Trude findet auch, daß wir sofort abreisen und Katharina beistehen
    müssen.
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