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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Titel: Die verlorene Ehre der Katharina Blum
Autoren: Heinrich Böll
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Hause angekommen, schon mit
    der ZEITUNG konfrontiert! Später – zu spät natürlich – bereute Blorna, daß er
    nicht, statt Katharina, von der er ja durch den ZEITUNGS-Kerl wußte, daß sie
    vernommen wurde, Hach angerufen hatte.)
    Was allen, die an der zweiten Vernehmung von Katharina am Freitag teilnahmen
    – wiederum Moeding, die Pletzer, die Staatsanwälte Dr. Korten und Hach, die
    Protokollführerin Anna Lockster, die die sprachliche Sensibilität der Blum als
    lästig empfand und als »affig« bezeichnete –, was allen auffiel, war Beizmennes
    geradezu strahlende Laune. Er betrat händereibend den Verhandlungsraum,
    behandelte Katharina geradezu zuvorkommend, entschuldigte sich für »gewisse
    Grobheiten«, die nicht seinem Amt, sondern seiner Person entsprächen, er sei
    nun einmal ein etwas ungeschliffener Kerl, und nahm zunächst die inzwischen
    erstellte Liste der beschlagnahmten Gegenstände vor; es handelte sich um:
    . Ein kleines, abgenutztes grünes Notizbuch kleinen Formats, das
    ausschließlich Telefonnummern enthielt, die inzwischen überprüft worden waren
    und keinerlei Verfänglichkeiten ergeben hatten. Offenbar benutzte Katharina
    Blum dieses Notizbuch schon seit fast zehn Jahren. Ein Schriftsachverständiger,
    der nach schriftlichen Spuren von Götten gesucht hatte (Götten war
    u. a. Bundeswehrdeserteur und hatte in einem Büro gearbeitet, also viele
    handschriftliche Spuren hinterlassen), hatte die Entwicklung ihrer Handschrift
    als gerade schulbeispielhaft bezeichnet. Das sechzehnjährige Mädchen, das die
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    Heinrich Böll
    Die verlorene Ehre der Katharina Blum
    Telefonnummer des Metzgers Gerbers notiert hatte, die Siebzehnjährige, die
    die Nummer des Arztes Dr. Kluthen, die Zwanzigjährige bei Dr. Fehnern – und
    später die Nummern und Adressen von Traiteuren, Restaurateuren, Kollegen.
    . Kontoauszüge der Sparkasse, auf denen jede Um- oder Abbuchung durch
    handschriftliche Randnotizen der Blum genau identifiziert waren. Einzahlungen,
    Abbuchungen – alles korrekt und keine der bewegten Summen verdächtig.
    Dasselbe traf auf ihre Buchführung zu und auf Notizen und Mitteilungen, die in
    einem kleinen Hefter enthalten waren, wo sie den Stand ihrer Verpflichtungen
    gegenüber der Firma »Haftex« gebucht hatte, von der sie ihre Eigentumswohnung
    in »Elegant am Strom wohnen« erworben hatte. Auch ihre Steuererklärungen,
    Steuerbescheide, Steuerzahlungen waren genauestens geprüft und durch einen
    Bilanzfachmann durchgesehen worden, der nirgendwo eine »versteckte größere
    Summe« hatte ausfindig machen können. Beizmenne hatte Wert darauf gelegt,
    ihre finanziellen Transaktionen besonders im Zeitraum der letzten zwei Jahre,
    die er scherzhaft als »Herrenbesuchszeit« bezeichnete, zu prüfen. Nichts. Es
    ergab sich immerhin, daß Katharina ihrer Mutter monatlich  DM überwies,
    daß sie das Grab ihres Vaters in Gemmelsbroich durch ein Abonnement
    der Firma Kolter in Kuir pflegen ließ. Ihre Möbelanschaffungen, Hausgeräte,
    Kleider, Unterwäsche, Benzinrechnungen, alles geprüft und nirgendwo eine
    Lücke entdeckt. Der Buchhaltungsfachmann hatte, als er Beizmenne die Akten
    zurückgab, gesagt: »Mensch, wenn die freikommt und sucht mal ’ne Stelle
    – gib mir ’nen Tip. So was sucht man ständig und findet es nicht.« Auch die
    Telefonrechnungen der Blum ergaben keine Verdachtsmomente. Offenbar hatte
    sie Ferngespräche kaum geführt.
    Bemerkt worden war auch, daß Katharina Blum ihrem Bruder Kurt, der zur
    Zeit wegen Einbruchdiebstahls einsaß, gelegentlich kleinere Summen zwischen
     und  DM zur Aufbesserung seines Taschengeldes überwies. Kirchensteuer
    zahlte die Blum nicht. Sie war, wie aus ihren Finanzakten ersichtlich, schon als
    Neunzehnjährige im Jahre  aus der kath. Kirche ausgetreten.
    . Ein weiteres kleines Notizbuch mit verschiedenen Eintragungen,
    hauptsächlich rechnerischer Art, enthielt vier Rubriken: Eine für den Haushalt
    Blorna mit Ab- und Zusammenrechnungen über Lebensmitteleinkäufe und
    Auslagen für Putzmittel, Reinigungsanstalten, Wäschereien. Dabei wurde
    festgestellt, daß Katharina die Wäsche eigenhändig bügelte.
    Die zweite für den Haushalt Hiepertz mit entsprechenden Angaben und
    Berechnungen.
    Eine weitere für den eigenen Haushalt der Blum, den diese offenbar mit geringen
    Mitteln bestritt; es fanden sich Monate, in denen sie etwa für Lebensmittel kaum
    – DM ausgegeben
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