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Die Verlockung des Glücks (German Edition)

Die Verlockung des Glücks (German Edition)

Titel: Die Verlockung des Glücks (German Edition)
Autoren: Hannah Kaiser
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sehe ihn vermutlich nie wieder. Ich fühle mich ein wenig so, als wäre plötzlich jemand gestorben. Als wäre ein Teil von mir gestorben.
     
    Ich versuche mir einzureden, dass jetzt endlich wieder Routine in mein Leben einkehren wird. Dass ich wieder dazu komme, in Ruhe zu arbeiten und dass ich überhaupt wieder zur Ruhe komme. Die zwei Wochen mit ihm sind vorbei und ich kann friedlich mein Leben weiter leben.
     
    Ich will zurück ins Haus gehen und gleich damit anfangen, aber es gelingt mir nicht. Ich bleibe einfach auf der Stelle stehen. Unfähig, mich auch nur ein kleines Stück zu bewegen starre ich seinem Auto hinterher, das schon lange nicht mehr zu sehen ist.
     
    Erst als ich Bettys Hand auf meiner Schulter spüre, merke ich, dass ich am ganzen Körper zittere.
    „Komm“, sagt sie und schiebt mich auf ihr Haus zu, „Komm, ich mache uns einen Kaffee, ja?“
    Ich nicke und gehe wie ferngesteuert hinter ihr her.
     
    Erst zehn Minuten später, als ich mit einer Tasse heißem Kaffee in der Hand auf Bettys Sofa sitze, fange ich plötzlich an zu weinen. Ich fange an und kann gar nicht mehr wieder damit aufhören. Wenn es nicht Betty wäre, die neben mir sitzen würde, würde ich mich vermutlich in Grund und Boden schämen, aber vor ihr ist es mir egal. Sie nimmt mir die Tasse aus der Hand, zieht mich in ihre Arme und lässt mich einfach weinen, bis ich das Gefühl habe, keine Tränen mehr zu haben.
     
    „Sophie …“, Betty reicht mir ein Taschentuch. „Ich weiß, dass du Beziehungen mit Männern irgendwann abgeschworen hast. Ich kenne die Gründe nicht, aber du bist eine vernünftige, junge Frau und du wirst bestimmt welche dafür haben. Aber weil du vernünftig bist, will ich dir auch etwas sagen: Du musst nicht so verzweifelt sein. Es muss nicht das Ende sein. Matt ist ein guter Junge …“
    Ich schnäuze mir, ziemlich undamenhaft, kräftig die Nase und unterbreche sie.
    „Du musst sagen, dass er ein guter Junge ist, er ist schließlich dein Enkelsohn!“
    Betty lacht kurz in sich hinein.
    „Ich habe fünf Stück davon, Sophie, und ich würde das trotzdem nicht über jeden von ihnen sagen! Ich würde dir, wenn ich ganz genau sein soll, bei keinem anderen wirklich raten, dich auf eine Beziehung einzulassen. Aber Matthew und du … ich denke, ihr seid gut füreinander!“
    Betty hält einen Moment inne und spielt gedankenverloren mit ihrem Ehering, den sie immer noch trägt, obwohl ihr Mann schon über 20 Jahre tot ist.
     
    „Männer sind nicht immer einfach. Glaub mir, niemand weiß das besser als ich! Und es hat mir nie etwas ausgemacht, alleine zu sein. Ich habe auch nach dem Tod meines Mannes ein glückliches Leben geführt. Ich gehöre wirklich nicht zu denjenigen, die der Meinung sind, eine Frau würde zwingend einen Mann brauchen, um glücklich sein zu können. Manchmal denke ich sogar, dass es vielen Frauen ganz gut tun würde, wenn sie erst einmal lernen würden, aus sich selbst heraus zufrieden zu sein, bevor sie eine Beziehung eingehen. Ich bin keines von diesen antiquierten Modellen, die meinen, dass Ehe und Familie der einzig wahre Lebensinhalt für eine Frau sind. Es gibt viele andere Dinge im Leben, die ein Leben reich und erfüllt machen können.“
     
    Sie streicht mir übers Haar und betrachtet mich ein wenig versonnen.
    „Aber weißt du, Sophie, welches Lebenskonzept man auch immer für sich selbst entwickelt, man sollte ab und an mal überprüfen, ob es noch zu einem passt. Denn wenn man selbst zum Opfer seines eigenen Konzepts wird, dann ist es an der Zeit, etwas zu ändern. Unser Schicksal hält sich leider nicht immer an unsere Konzepte. Und manchmal, da will es seine eigenen Wege gehen. Und dann bleibt uns nichts anderes, als dem nachzugeben und das Beste daraus zu machen. Alles andere würde uns unglücklich machen. Es ist doch eigentlich meistens ganz einfach: Wenn wir nicht glücklich sind, dann müssen wir etwas ändern, um wieder glücklich sein zu können.
    Natürlich ist das in der Praxis nicht immer so ohne Weiteres realisierbar, aber letztendlich ist es, zumindest ein meinen Augen, das einzig halbwegs brauchbare Rezept zum Glücklichsein.
    Und du, meine liebe Sophie, siehst im Moment alles andere als glücklich aus. Um genau zu sein, würde ich deinen Zustand sogar als am Boden zerstört bezeichnen. Und ich habe genug Lebenserfahrung, um zu wissen, dass dieser Zustand auch durch das bewährte Konzept aus viel Arbeit und Ablenkung nicht wesentlich besser werden
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