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Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall

Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall

Titel: Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall
Autoren: R. A. Salvatore
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Lediglich der Südwind versprach angenehme Abwechslung, doch wenn dieser versuchte, die entlegene Landschaft zu erreichen, wurde er fast immer von den hohen Gipfeln des Grats der Welt zurückgehalten.
    Es gelang Regis, eine Weile die Augen aufzuhalten. Er spähte zwischen den flaumigen Ästen der Pelzbäume zu den bauschigen weißen Wolken empor, die, von der milden Brise getrieben, am Himmel dahinzogen. Die goldene Sonne schenkte so viel Wärme, daß der Halbling hin und wieder in Versuchung kam, seine Weste abzulegen. Doch sobald sich eine Wolke vor die warmen Strahlen schob, wurde ihm wieder bewußt, daß es ein Septembertag in der Tundra war. In einem Monat würde es schneien, und in zwei Monaten würden die Straßen, die im Westen und Süden nach Luskan führten, der Zehn-Städte nächstgelegenen Stadt, nur für die Abgehärtetsten oder Dümmsten passierbar sein.
    Regis ließ den Blick über die weite Bucht schweifen, die an seinen kleinen Angelplatz angrenzte. Auch andere Bewohner von Zehn-Städte nutzten das schöne Wetter aus. Viele Fischerboote waren draußen und stießen sich an oder schlängelten sich aneinander vorbei, um ihre besonderen »Glücksstellen« zu finden. So oft er sie auch schon beobachtet hatte, jedesmal wieder war er über die Gier der Menschen erstaunt. Damals, als er noch im südlichen Calimshan lebte, war der Halbling innerhalb kurzer Zeit zum stellvertretenden Vorsteher einer der berühmtesten Diebesgilden der Hafenstadt Calimhafen aufgestiegen. Aber die Gier der Menschen hatte Schuld daran getragen, daß seine Laufbahn zerstört wurde. Jedenfalls war das seine Meinung. Der Vorsteher der Gilde, der Pascha Pook, besaß eine wundervolle Sammlung von Rubinen — mindestens ein Dutzend —, deren Facetten so meisterhaft geschnitten waren, daß man meinen konnte, sie zögen den Betrachter mit geheimnisvollen Kräften in ihren Bann. Regis hatte die funkelnden Edelsteine stets bewundert, wann immer Pook sie ausgestellt hatte, und außerdem hatte er ja nur einen einzigen an sich genommen. Bis zum gegenwärtigen Augenblick konnte der Halbling nicht verstehen, warum der Pascha, der doch immerhin noch elf Steine hatte, unverändert zornig auf ihn war.
    »Wehe der Gier der Menschen«, hatte Regis stets gesagt, sobald er die Männer des Paschas in einer Stadt erblickt hatte, in der er sich niederlassen wollte. Jedesmal war er gezwungen gewesen in ein noch ferneres Land auszuweichen. Aber seit seiner Ankunft in Zehn-Städte vor anderthalb Jahren hatte er diesen Satz nicht mehr sagen brauchen. Pooks Arme waren zwar lang, aber diese Grenzsiedlung inmitten des unwirtlichsten und wildesten Landes, das man sich vorstellen konnte, war doch noch weiter entfernt, und Regis fühlte sich in der Sicherheit seiner neuen Zuflucht recht wohl. Hier gab es Reichtum, und für jene, die zum Schnitzen geschickt und begabt genug waren und den elfenbeingleichen Knochen der Knöchelkopfforelle in ein Kunstwerk verwandeln konnten, bot sich ein angenehmes Leben bei geringem Arbeitsaufwand.
    Und da im Süden die feinen Schnitzereien aus Zehn-Städte inzwischen Mode geworden waren, hatte der Halbling gewiß vor, seine übliche Trägheit abzuschütteln und seinen neuen Beruf in ein blühendes Geschäft zu verwandeln.
    Eines Tages gewiß.
    Drizzt Do'Urden bewegte sich lautlos vorwärts. Seine weichen, kurzen Stiefel wirbelten kaum Staub auf, und die Kapuze seines braunen Umhangs hatte er tief über die wallenden, schlohweißen Haare gezogen. Sein Gang war von einer so mühelosen Anmut, daß ein Beobachter denken konnte, der Dunkelelf sei nichts weiter als eine Illusion, eine Sinnestäuschung der endlosen braunen Tundra.
    Drizzt Do'Urden zog den Umhang noch enger an sich. Im Sonnenlicht fühlte er sich so verwundbar wie wohl andererseits ein Mensch im Dunkel der Nacht. Die zweihundert Jahre, die er viele Meilen tief unter der Erde verbracht hatte, waren durch fünf Jahre unter der Sonne nicht ausgelöscht worden. Bis zu diesem Tag ermüdete ihn das Sonnenlicht und machte ihn schwindelig.
    Drizzt war die ganze Nacht lang gewandert, aber er durfte sich keine Pause gönnen. Er hatte sich mit Bruenor im Zwergental verabredet, und er war bereits spät dran. Außerdem hatte er die Zeichen gesehen.
    Die Rentiere hatten ihre Herbstwanderung gen Süden angetreten, doch es fehlte jede Spur von den Menschen, die sonst den Herden folgten. In den Höhlen nördlich von Zehn-Städte, die stets eine Zwischenstation für die nomadischen Barbaren
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