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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube
Autoren: Christopher Ride
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in der Küche übereinander. Er stieg über sie hinweg und stieß die Schlafzimmertür auf. In der Dunkelheit hörte er seine Kinder weinen.
    »Papa ist da!«, rief Ortega.
    »Papa!«, schrie sein Töchterchen.
    Dann kamen sie angerannt und klammerten sich weinend an ihn, ebenso seine Frau, die sein Gesicht küsste und ihn festhielt.
    »Ein Ausländer hat uns gerettet.« Sarita schluchzte. »Er platzte zur Tür herein und schlug dem Wahnsinnigen den Kopf ab.« Dann sah sie ihn erschrocken an. »Du bist verwundet!«
    »Erzähl mir, wie es passiert ist.« Gonzales hatte die Arme um seine Familie gelegt.
    »Santillana kam und wollte uns umbringen.« Sarita weinte. »Er ist es, der hier überall gemordet hat. Er klopfte an die Haustür. Seine Fingernägel waren schwarz, er war völlig verdreckt, als hätte er bei den Schweinen gelebt. Seine Augen waren blutunterlaufen. Er stürzte sich auf Ramiro, in unserem Beisein, und schnitt ihm die Kehle durch. Dann leckte er das Blut vom Messer, während der arme Junge verblutete.« Saritas Atem ging heftig, während sie ihre Kinder und deren Vater fest im Arm hielt. »Er war vom Teufel besessen«, wimmerte sie. »Seine Augen leuchteten rot.« Sie begann, wieder hemmungslos zu schluchzen. »Gott sei Dank, dass der Ausländer kam. Nicht auszudenken, was sonst aus uns geworden wäre.«
    Hinter ihr legte Capos eine Decke über die beiden Toten.
    »Wie sah dieser Ausländer aus?«, fragte Gonzales.
    »Er war stark«, sagte sie. »Er war am Oberkörper nackt. Als er Santillana sah, schrie er: Ihre Zeit ist um, Pizarro! Dann hieb er ihm mit einem Schlag den Kopf ab.« Sarita klammerte sich noch fester an ihren Mann. »Dann zeigte er auf die Schlafzimmertür und befahl uns, dahinter auf dich zu warten. Und ich soll dir etwas ausrichten: Du sollst sagen, dass die Überschwemmung die vielen Toten gefordert hat und dass du dein Teil beitragen sollst, um die Unschuldigen zu schützen. Er meinte, du würdest schon verstehen, was das heißt.«
    Gonzales nickte. Er verstand es genau.
    »Wer war der Ausländer, Papa?«, fragte Ortega.
    »Er heißt Wilson Dowling«, antwortete Gonzales. »Er ist ein Freund von mir.«

59.
    I NKA -P FAD , P ERU
64 K ILOMETER NORDWESTLICH VON C USCO
O RTSZEIT : 23.05 U HR
24. J ANUAR 1908
    Als Wilson den Inka-Pfad zum nächsten steilen Kamm hinaufwanderte, fragte er sich, ob er Aclla und ihre Kriegerinnen je einholen würde. Sie hatte ihm gesagt, dass sie diesen Pfad nehmen würden, und nun war er überrascht, wie schnell sie liefen. Der Nachthimmel war klar, und die Sterne funkelten. Beim Ausatmen stieß Wilson weiße Wölkchen in die windstille, kalte Luft.
    Er war zweifellos ein enormes Risiko eingegangen, als er zu Gonzales’ Haus gelaufen war. Indem er dessen Familie vor der Ermordung bewahrte, hatte er den Lauf der Geschichte verändert – die Geschichte, wie er und Helena sie kannten. Welche Folgen das haben würde, hatte er nicht absehen können. Trotzdem hatte er es nicht über sich gebracht, einfach wegzugehen und die Familie wehrlos dem Geist Pizarros auszuliefern. Er dachte an den Augenblick, als er mit dem Schwert durch Santillanas Hals gefahren war und der Kopf auf den Boden fiel. Wilson hatte ihn an den schwarzen Haaren gepackt, während das Blut aus dem Halsstumpf lief, und hatte gesehen, wie das Rot aus den Pupillen wich. Das war der Moment gewesen, in dem der Geist Pizarros den Körper verließ. Und hoffentlich für immer verschwand. Wilson hatte keine Zeit gehabt, Santillanas abrupten Tod zu bedauern. Der Mann war vermutlich durch die Kreuzigung seines Bruders wahnsinnig geworden und durch die schrecklichen Verbrechen, zu denen der Geist Pizarros ihn getrieben hatte. Wilson war entschlossen gewesen, ihn zu töten, und hatte es getan, obgleich er damit gegen das heiligste Prinzip des Aufsehers verstieß. Aber in diesem Fall hatte er nach seiner Auffassung dennoch angemessen gehandelt.
    Gonzales hatte nun seine Familie behalten, und den Fluch, der auf seinen Nachfahren gelastet hatte, gab es nicht mehr. Folglich würde das Leben Don Eravistos anders verlaufen, und er brauchte keine Rache an Helena zu üben.
    Die Geschichte nahm einen anderen Verlauf.
    Atemlos blieb Wilson stehen und blickte über den gepflasterten Damm, der das Tal mit dem verlandeten See teilte. Ringsum sah man auf zerklüftete Gipfel. Wilson hatte sein nächtliches Sehvermögen aktiviert und konnte schließlich gut zwanzig Kapuzengestalten in der Dunkelheit ausmachen.
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