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Die vergessene Insel

Die vergessene Insel

Titel: Die vergessene Insel
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Einer der anderen
stolperte gegen ihn, aber das spürte Mike nicht einmal. Für die nächtsten, schier endlosen Sekunden registrierte er rein gar nichts von dem, was um ihn herum vorging. Er stand einfach da und starrte an Singh
und Trautman vorbei in die Tiefe.
Der Gang führte auf eine schmale, steinerne Galerie
hinaus, die sich in gut zwanzig Metern Höhe an den
Wänden einer gewaltigen Höhle entlangzog, deren Boden allerdings nur zu einem kleinen Teil aus massivem Fels bestand. Der weitaus größte Teil wurde von
den Fluten eines natürlichen, unterseeischen Hafens
bedeckt.
Und direkt unter ihnen lag der Koloß.
Das Schiff - wenn es ein Schiff war, denn Mike hatte
nie zuvor etwas gesehen, was diesem phantastischen
Gefährt auch nur ähnelte - mußte an die hundert Meter lang sein und war von schlanker Form, die an eine stählerne Zigarre erinnerte. Der Rumpf bestand
aus Stahl, der in einem unheimlichen, graugrünen
Farbton schimmerte. Etwa in seiner Mitte erhob sich
ein buckeliger, flacher Turm, zu dem eine Anzahl eiserner Leitersprossen emporführten. Zwei große, runde Fenster aus gewölbtem Glas vermittelten den Eindruck starrender Fischaugen, und wie um diese Ähnlichkeit noch zu betonen, hatte das Schiff eine gewaltige, senkrecht wie die Finne eines Wales in die Höhe
ragende Heckflosse. Der Bug endete in einem langen,
mit metallenen Kanten und Klingen versehenen
Sporn, wie die natürliche Waffe eines übergroßen Sägefisches, und vom Bug bis zum Heck des Schiffes zog
sich ein stählerner Stachelkamm. Das riesige Gefährt
ähnelte viel weniger einem Schiff als einem bizarren
Urweltungeheuer, das nach Jahrmillionen zu neuem
Leben auferstanden war.
Mike hatte keine Fragen mehr. Es gab nichts, was
Singh oder
Trautman
hätten erklären müssen. Er
kannte jetzt das Geheimnis der Vergessenen Insel. Er
hatte es im selben Moment begriffen, in dem sein
Blick auf die fast mannshohen Buchstaben fiel, in denen der Name des Schiffes an seinem Bug stand:
NAUTILUS
    Obwohl im Moment vielleicht nichts so kostbar war
wie Zeit, schwiegen Singh und Trautman geduldig, bis
Mike den Schock, den ihm der Anblick des Tauchbootes bereitet hatte, so weit überwand, um langsam weiterzugehen. Eine steile, geländerlose Treppe führte in
die Tiefe, bei deren Anblick allein Mike normalerweise schwindelig geworden wäre. Jetzt bemerkte er den
Abgrund nicht einmal, der neben ihm gähnte.
Auch als er näher kam, verlor das Schiff nichts von
seiner unheimlichen Faszination. Im Gegenteil: Mike
konnte sich einfach nicht satt sehen. Er hatte immer
mehr das
Gefühl,
einem
Etwas
gegenüberzustehen,
das zwar künstlich erschaffen, trotzdem aber mehr als
nur eine Maschine war. Er konnte nicht sagen, was es
war, was er empfand. Das Gefühl, das der Anblick der
NAUTILUS in ihm auslöste, war zu gewaltig, um es in
Worte zu fassen. Endlich, nach Minuten, wurde das
fast ehrfürchtige Schweigen gebrochen.
»Die
NAUTILUS!« flüsterte Paul. »Es ... es gibt sie
wirklich. Dann ist alles wahr, was man sich erzählt.
Die ... die ganzen Geschichten sind wahr!«
Mike löste widerstrebend seinen Blick von dem Unterseeboot und wandte sich zu Paul um. Er und die anderen waren ihm gefolgt, aber in einiger Entfernung stehengeblieben, und jeder reagierte auf andere Weise
auf den Anblick des Schiffes: erstaunt, ungläubig, erschrocken oder entsetzt. Einzig Chris schien gar nicht
zu begreifen, was er da sah.
Plötzlich erinnerte sich Mike wieder an den
Schrecken, mit dem Paul reagiert hatte, als Mike das erste Mal seinen wirklichen Namen hörte. »Du hast das
gewußt, nicht wahr?« fragte er. »Dein Vater hat dir
gesagt, was wir auf dieser Insel finden.«
»Nein!« Pauls Stimme klang erschrocken. »Kein Wort,
das schwöre ich! Aber ... aber jeder hat doch schon
von Kapitän Nemo und der NAUTILUS gehört. Du
doch auch!«
Das stimmte. Wer hätte nicht von dem
phantastischen, unbesiegbaren Unterseeboot gehört, mit dem
der sagenumwobene Kapitän Nemo die Weltmeere befahren hatte?
»Ich habe es für eine Legende gehalten«, fuhr Paul
fort. Seine Stimme zitterte, und sein Blick irrte unstet
über den Rumpf der NAUTILUS. »Wir alle haben das!
Niemand hat geglaubt, daß dieses Schiff wirklich existiert!«
»Euer Vater hat dafür gesorgt, daß es so
ist«,
fügte
Singh hinzu. »Es war seine letzte Tat. Nachdem er die
NAUTILUS zu dieser Insel gebracht hat, verließ er sie
noch einmal und sorgte dafür, daß aus den Geschichten um die NAUTILUS Legenden wurden. Es war
nicht sehr
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