Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die vergessene Insel

Die vergessene Insel

Titel: Die vergessene Insel
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
es, Trautman. Nemos Sohn.«
»Nemo?« sagte Juan verblüfft.
Der alte Mann begann zu zittern. Es war schwer, unter all den Falten und Runzeln in seinem Gesicht irgendeinen Ausdruck zu erkennen, aber Mike spürte,
daß er mit aller Macht um seine Beherrschung kämpfte. Seine Augen begannen feucht zu schimmern.
»Tatsächlich«, murmelte er schließlich. »Er ... er ist
es. Großer Gott, er ... er sieht genau aus wie sein Vater. Als ... als wäre er wieder auferstanden.« Plötzlich
fuhr er herum und wandte sich fast schreiend an
Singh: »Warum bringst du ihn hierher? Du weißt, was
sein Vater befohlen hat! Du hast geschworen, ihm diese Last niemals -«
»Er kann nichts dafür«, unterbrach ihn Mike.
Trautman fuhr mit einem Ruck wieder herum. »Verzeiht, junger Herr«, sagte er, »aber ich fürchte, Ihr
wißt nicht, wovon Ihr sprecht. Das Geheimnis dieser
Insel muß für alle Zeiten gewahrt bleiben. Es war der
letzte Wunsch Eures Vaters, und wir haben beide geschworen, eher unser Leben zu opfern, als ihn nicht
zu respektieren.«
»Singh hat uns allen das Leben gerettet«, fuhr Mike
fort. »Wir sind nicht freiwillig hier. Die Männer dort
draußen auf dem Schiff hatten mich und die anderen
entführt, weil sie das Geheimnis dieser Insel enträtseln
wollten. Singh hat uns befreit.«
»Stimmt das?« fragte Trautman.
Singh nickte. »Ja. Es bleibt keine Zeit mehr, um Ihnen alles genau zu erklären. Aber er sagt die Wahrheit. Sie haben uns bis hierher verfolgt, aber sie hätten die Insel auch ohne uns gefunden, denn der Kapitän des Schiffes ist im Besitz der Papiere von Prinz
Dakkars Vater. Wir mußten Sie warnen. Ich hoffe
nur, wir sind nicht zu spät gekommen.«
»Dann ist alles verloren«, sagte Trautman. »Sie werden die Passage entdecken und das alles hier finden.«
Sein Blick schien plötzlich mitten durch Singh hindurch ins Leere zu gehen. »Du weißt, was das bedeutet.«
»Noch haben wir etwas Zeit«, erwiderte Singh hastig.
»Was ist mit dem Schiff? Mit etwas Glück können wir
die Insel verlassen, ehe sie den Weg durch die Riffe
gefunden haben.«
Trautman lächelte bitter. »Nein«, sagte er. »Das können wir nicht, Singh. Du kennst Nemos Befehl so gut
wie ich.«
Singh
machte eine ärgerliche Handbewegung. »Er
konnte nicht ahnen, was geschehen würde«, sagte er.
»Seien Sie vernünftig, Trautman! Wollen Sie, daß sein
Sohn stirbt?«
»Natürlich nicht«, antwortete Trautman. Er lächelte
noch immer auf diese seltsam traurige Art. »Es hat
nichts mit Wollen zu tun, Singh«, sagte er. »Ich...« Er
stockte, suchte einen Moment nach den richtigen
Worten und drehte sich dann zur Seite, um sein Gewehr an die Wand neben der Tür zu lehnen.
»Es spielt jetzt ohnehin keine Rolle mehr«, sagte er.
»Also kommt mit.«
Während sie Trautman wieder in den angrenzenden,
großen Raum und zu einer zweiten, verborgenen Tür
folgten, tauschte Mike einen Blick mit Singh, aber der
Sikh tat so, als verstünde er die unausgesprochene
Frage in seinen Augen nicht. Mike sah ihm allerdings
deutlich an, daß er, vielleicht zum ersten Mal, seit sie
sich kennengelernt hatten, tatsächlich Angst hatte.
Sie durchquerten die Halle und begannen eine schmale, steil in die Tiefe führende Treppe hinabzusteigen,
ehe es ihm gelang, an Singhs Seite zu kommen. »Wer
ist das, Singh?« fragte er im Flüsterton.
»Ein Vertrauter Eures Vaters«, antwortete
Singh.
»Ein Freund. Vielleicht der einzige, den er jemals
wirklich hatte. Er hat
geschworen, sein Erbe bis zu
seinem Tod zu beschützen.«
»Meines Vaters?« wiederholte Mike zweifelnd. »Oder
dieses ... wie hat er ihn genannt? Nemo?«
Nun lächelte Singh. »Noch einen kleinen Moment Geduld, Herr«, sagte er. »Ihr werdet gleich alles verstehen.«
Die Treppe führte scheinbar endlos in die Tiefe. Mike
gab es nach hundert Stufen auf, die Schritte zählen zu
wollen, aber als sie endlich ihr Ende erreicht hatten,
war er sicher, daß sie sich tief unter dem Meeresspiegel befinden mußten, und die
Vorstellung erfüllte ihn
mit Unbehagen. Er glaubte die Millionen und Abermillionen Tonnen Wasser fast körperlich zu fühlen,
die auf dem Stein über ihren Köpfen lasteten, und war
da nicht ein leises Knistern, das regelmäßige Geräusch von fallenden Tropfen und das Mahlen von
Fels, der unter dem unvorstellbaren Gewicht genau in
diesem Moment nachzugeben begann, und
Der Gedanke endete so abrupt wie
abgeschnitten.
Mikes Augen weiteten sich. Er blieb stehen, als wäre er
an eine unsichtbare Wand geprallt.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher