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Die vergessene Insel

Die vergessene Insel

Titel: Die vergessene Insel
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schlecht. Der Kampf war
vorbei, und die vier Burschen schleiften jetzt den
wehrlos daliegenden Mann grob auf den offenstehenden Schuppen zu. Gott allein mochte wissen, was sie
dort drinnen mit ihm anstellen würden, Mike verstand McIntire einfach nicht. Es war gut möglich, daß
die Männer den Fremden umbrachten - und er tat so,
als ginge sie das alles nichts an!
McIntire sprang als letzter in das Boot hinein, und
schon wurde die Planke wieder eingezogen, und der
zweite Matrose löste das Tau, das er noch nicht einmal richtig befestigt gehabt hatte. Der Bootsrumpf erzitterte sacht unter ihren Füßen, als sich die Barkasse
vom Ufer trennte und den stumpfen Bug wieder in die
Richtung drehte, aus der sie gekommen war.
Mike sah ein letztes Mal zum Ufer zurück. Das Boot
drehte sich immer weiter, so daß der Lagerschuppen
rasch außer Sicht geriet. Von den vier Männern und
ihrem Opfer war nichts mehr zu entdecken. Doch als
Mike sich wieder umwandte, sah er, daß Miß McCrooder angespannt in die gleiche Richtung blickte wie er
und der Ausdruck auf ihrem Gesicht noch ernster geworden war. McIntire hatte das kleine Ruderhaus betreten und unterhielt sich halblaut, aber heftig mit
dem Steuermann. Und auch er deutete immer wieder
zurück; zum Ufer und in die Richtung, in der der Lagerschuppen lag. Plötzlich hatte Mike das sichere Gefühl, daß hier irgend etwas nicht stimmte.
Er sollte recht behalten.
Als sie sich weiter in das Hafenbecken hineinbeweg
    ten, wurde es empfindlich kalt. Vom Wasser stieg ein
eisiger Hauch empor, und während ihnen am Ufer die
Lagerschuppen noch ein wenig Schutz vor dem Wind
gewährt hatten, schlug er ihnen nun eisig ins Gesicht,
so daß Mike nicht der einzige war, der fröstelnd die
Hände in den Jackentaschen vergrub und den Kopf
einzog. Das Boot nahm Kurs auf die Themsemündung
und wurde nur wenig schneller. Wenn sie die ganze
Strecke bis zur LEOPOLD in diesem Schneckentempo
zurücklegten, dachte Mike, dann konnte es
Mittag
werden, ehe sie das Schiff auch nur sahen.
Er ging zum Bug des Bootes, blieb jedoch sofort wieder stehen, als er Juan, Ben und André gewahrte, die
dort vorne standen und sich lautstark über das Boot
und den bevorstehenden Besuch auf der LEOPOLD
unterhielten, wobei sie an beiden kein gutes Haar
ließen. Mike war für einen Moment nahe daran, ihnen
gehörig die Meinung zu sagen. Aber wenn er Juan
und den anderen jetzt auch noch einen Vorwand lieferte, tatsächlich einen Streit vom Zaun zu brechen,
dann war dieser Tag, auf den er sich so gefreut hatte,
vermutlich gar nicht mehr zu retten. Also machte er
kehrt, trat an die Reling und sah auf das Wasser hinab, das sich schäumend am Bug brach. Das Boot war
tatsächlich erst vor ganz kurzer Zeit gestrichen worden, wie er beiläufig registrierte. Allerdings war das
noch
lange kein Grund, dachte er,
gleich
Verschwörung und Verrat zu wittern.
Das intensive Gefühl, angestarrt zu werden, ließ Mike
aufsehen. Er drehte sich herum und begegnete für eine Sekunde Miß McCrooders Blick. Sie sah noch immer so nervös aus wie vorhin, als sie an Bord gegangen waren. Doch nun gab sie sich einen Ruck, und auf
ihren Zügen erschien wieder das gewohnte, freundliche Lächeln.
    Das Gesicht aus dem Wind gedreht, trat sie neben
ihn, steckte die Hände unter die Achseln und schauderte übertrieben. »Ich wußte gar nicht, daß es auf
dem Wasser so kalt ist«, sagte sie. »Hoffentlich gibt es
auf Kapitän Winterfelds Schiff eine vernünftige Heizung.«
Mike
lächelte
höflich, sagte aber nichts, sondern
blickte Miß McCrooder nur aufmerksam von der Seite
her an. Sie gab sich große Mühe, sich ihre Unruhe
nicht anmerken zu lassen, doch ihr Blick huschte unentwegt über das Wasser, und ihre Haltung verriet eine Anspannung, die nicht allein auf die Kälte zurückzuführen war.
Vor ihnen verbreiterte sich nun die Fahrrinne, und
rechts und links des Beckens erhoben sich Schuppen
und Gebäude in monotoner Gleichförmigkeit. Mike
gewahrte
nirgends
irgendeine Bewegung oder gar
Menschen. Nur von rechts näherte sich ein Schlepper,
ein wahres Ungetüm aus rostigem Eisen und
Holz,
dessen Umrisse eher an einen schwimmenden Berg
erinnerten als an ein Schiff. Mike verlängerte den
Kurs des Schiffes in Gedanken und stellte fest, daß es
ihnen ziemlich nahe kommen mußte, wenn sie ihre
momentane Geschwindigkeit beibehielten.
»Ich hätte doch meinen Mantel anziehen sollen«, sagte
Miß McCrooder und seufzte. »Aber was tut man nicht
alles aus Eitelkeit.«
Mike
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