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Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens
Autoren: Tobias O. Meißner
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deinen Toten, Erdbeben !«
    Â»Habt Dank, Sicari, und auf ein Wiedersehen, vielleicht bei etwas besserem Licht!«
    Die sechs Lampions und ihre Spiegelbilder verloschen beinahe gleichzeitig. Nichts war zu hören. Kein Knattern von Segeln, kein Eintauchen von Ruderblättern. Und dennoch spürten die Menschen auf dem Floß, dass sie schon zwei Sandstriche später wieder alleine waren auf dem Meer.
    Onouk lächelte. »Ich werde dich nicht gesund pflegen.« Damit war alles gesagt.

    In den bereits sonnengesättigten Morgenstunden des folgenden Tages erblickte die Floßbesatzung einen schlanken Zweimaster, der sich von Norden her näherte. Ijugis, Onouk und Tegden erkannten das Schiff: Es war die Königin der Meere unter Kapitän Zels Montreri, eigentlich ein der Freibeuterei nicht ganz unabgeneigter schneller Küstensegler, der die Sturmsee seine Westentasche nannte, seit zwei Monden jedoch Bestandteil der kleinen und neuen Heugabelflotte von Furbus und Chlayst war. »Wir haben der Besatzung das Fechten beigebracht«, sagte Onouk stolz, während sie schwenkten, was sie an Stoffen und Gegenständen hatten, um auf sich aufmerksam zu machen. Der Ausguck der Königin der Meere , ein alter, spindeldürrer Seebär namens Sheteka, erspähte etwas, was er zuerst für Schiffbrüchige hielt und was sich dann als Zusammenkunft alter und neuer Freunde entpuppte.
    Dadurch, dass die Königin sie an Bord nahm, lösten sich mehrere Probleme auf einmal.
    Zum einen konnte Ukas Nouis endlich der Obhut eines erfahrenen Mediziners übergeben werden: Bjorgen Tekayif, der bis vor Kurzem noch in Chlayst einen Behandlungsraum für Wenigbegüterte unterhalten hatte, dann aber wegen der fortwährenden Unruhen in der verseuchten Stadt auf die Wellen der Sturmsee ausgewichen war. Tekayif – ein Gelehrter mit Augengläsern, hoher Stirn und hohem Rumverbrauch – erklärte Ukas für rettbar und schwor, alles in seiner Macht Stehende zu unternehmen, das Leben des früheren Faustfechters zu bewahren.
    Zum anderen konnte Migal Tyg Parn endlich in Ehren feuerbestattet werden. Das Floß wurde nun nicht mehr gebraucht, und die Königin hatte genügend Brandöl an Bord, um es mit dem Leichnam darauf in eine weithin lodernde Flammeninsel zu verwandeln. Bestar sang dazu ein Lied, das die Riesen ihm beigebracht hatten. An Trauergesänge aus Taggaran, so es denn welche gab, konnte er sich nicht mehr erinnern. Rodraeg ließ es sich nicht nehmen, eine kurze Grabrede auf den Verstorbenen zu halten. Er nannte ihn einen Verbündeten der allerersten Stunde, eines der vier Beine, auf denen das Mammut kurz nach seiner Geburt durch die Welt gestapft war. Er konnte sich nicht helfen: Während der Zeremonie musste er unablässig an Hellas Borgondi denken, der in Endailon in einer viel zu engen Zelle darauf wartete, dass sein Todesurteil endlich vollstreckt wurde. Wie wenig Glück das Mammut doch seinen allerersten Mitgliedern gebracht hatte! Und dann dachte er an Eljazokad und an Tjarkas Gefangennahme durch Rugerion Siusan und an die drei Mitglieder des Kreises , die inzwischen tot waren, und an Gerimmir, der inzwischen vielleicht auch schon nicht mehr lebte, und an die Steckbriefe auf ihn und Bestar, und ihm wurde klar, dass Glück nichts, aber auch gar nichts mit dem Leben eines Mammuts zu tun hatte.

    Die Zusammenkunft der Träumer, die sich unter Timbares Geheiß für den Regenwald gebildet hatte, löste sich hier auf. Kinjo Utanti hatte beschlossen, sich von Montreris Leuten in einem Beiboot zur Küste rudern zu lassen, um wieder in den Wald zurückzukehren. »Ich habe das Gefühl, dass dort noch nicht alles in geordnete Bahnen gelenkt wurde«, erklärte er. »Was wird aus den Kenekenkelu? Was aus den Gataten? Was aus den Delphiorpriestern im Bruder Attrik ? Was aus den Ameisen und all den anderen Tieren und Pflanzen, die erst unter der Trockenheit und dann unter den Regenfluten zu leiden hatten? Sogar das weitere Schicksal der Riesenspinne liegt mir am Herzen. Ich will zurückgehen, mich umsehen, mehr lernen. Bewehrt mit dem Regenstab Delphiors, werde ich mich nun sicherer fühlen, als wenn ihr alle mich begleiten würdet.«
    Â»Du wirst völlig allein sein in einem Urwald, der nicht deine Heimat ist«, sagte Onouk besorgt.
    Â»Wie kann ich allein sein, jetzt, wo der Wald sich wieder mit Leben füllt?«, erwiderte Kinjo
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