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Die Verfluchte

Die Verfluchte

Titel: Die Verfluchte
Autoren: Claire Gavilan
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Welt noch voller Magie.
    Die alte Frau war bereits auf dem Weg nach drinnen, als ihr etwas einfiel. Mit der Hand schlug sie sich gegen die Stirn. „So was!“, rief sie aus. „Da hätte ich doch glatt vergessen, dass du diesmal meinen Namen nicht kennst! Wie dumm von mir!“ Sie wandte sich wieder zu Rose um. „Ich bin Glynis. Glynis Bertrand.“ Sie streckte den Arm aus, und Rose ergriff ihre schmale, trockene Hand.
    „Rose Martin“, stellte sie sich vor.
    Mme Bertrand nickte, als hätte sie das längst gewusst. Rose musste daran denken, wie sie behauptet hatte, sie habe auf Rose gewartet. Mme Bertrand breitete die Arme aus, dann wies sie auf die Tür zu ihrem Häuschen. „Komm, meine Liebe! Herein mit dir!“ Und ohne weitere Umschweife schob sie Rose ins Innere. Drinnen fielen Rose vor Staunen beinahe die Augen aus dem Kopf. Hier sah es allen Ernstes genauso aus wie in der Rekonstruktion eines uralten Wohnhauses: eine niedrige Decke, die Wände vom Herdfeuer rußgeschwärzt, der Boden mit groben Holzdielen belegt. Es roch aromatisch nach Kräutern und Räucherwerk und auch ein bisschen nach gepökeltem Schweinefleisch. Die Hütte bestand nur aus einem einzigen Raum. Rose sah einen eisernen Herd und ein Regal voller kupferner Töpfe und Pfannen. Von der Decke hingen Weidenkörbe mit Obst und Gemüse und Bündel getrockneter Kräuter. Auf dem Ofen dampfte ein Kessel vor sich hin, und eine Teekanne mit Rosenmuster, die irgendwie nicht so recht in das keltische Ambiente passen wollte, stand schon bereit. Zwei ebenfalls mit Rosen verzierte Tassen standen daneben und warteten auf ihren Einsatz.
    „Sie erwarten Besuch“, sagte Rose. „Ich ...“
    Mme Bertrand griff nach Roses Arm und drückte ihn mit erstaunlicher Kraft. „Nein, nein. Kein Besuch“, sagte sie und nahm den Wasserkessel vom Feuer.
    Rose wies auf die zweite Tasse. „Aber für wen ...“
    „Für dich, meine Liebe!“ Mme Bertrand strahlte. Sie goss den Tee auf. Ein intensiver Geruch nach Kräutern durchzog den niedrigen Raum und weckte Erinnerungen in Rose. Plötzlich hatte sie das Gefühl, schon einmal in diesem Häuschen gewesen zu sein. Der Geruch der Kräuter war ihr so vertraut, dass sie verwundert den Kopf schüttelte.
    Mme Bertrand sah es und lächelte nur. „Setzen wir uns doch“, sagte sie. Sie wies auf einen Tisch, um den mehrere Stühle und Hocker aus grob gezimmertem Holz standen. Als Rose saß, fiel ihr Blick auf eine Art Schreibtisch, der in der Hütte ähnlich deplatziert wirkte wie das Rosengeschirr. Auf diesem Schreibtisch lag ein Anhänger aus Silber mit sechs leeren Fassungen für Edelsteine.
    „Oh!“, entfuhr es Rose. „Sie sind Goldschmiedin?“ Sie fand keine andere Erklärung für die Existenz dieses halbfertigen Schmuckstücks.
    „Nur in meinem geheimen Leben“, sagte Mme Bertrand rätselhaft und stellte Teekanne und Tassen auf den Tisch. Sie nahm das Tee-Ei aus der Kanne und goss dann die beiden Tassen voll. Erneut breitete sich der aromatische Duft der Kräuter aus und mischte sich mit dem des Räucherwerkes. Rose setzte sich, und als sie aus reiner Höflichkeit einen Schluck von dem bitteren Tee trank, murmelte Mme Bertrand etwas in ihre eigene Tasse. Rose stellte verblüfft fest, dass sie irgendwann in ihrem Leben vor dem Segelunfall ein wenig Bretonisch gelernt haben musste, denn sie wusste, dass die Worte „In unserer Zeit ...“ bedeuteten. Den Rest allerdings verstand sie nicht. „Wie bitte?“, fragte sie.
    Mme Bertrand sah von ihrer Tasse auf und lächelte. „Ach, nichts! Das war nur ein alter bretonischer Segensspruch.“
    Rose blickte zu dem Schreibtisch. „Darf ich mir das Amulett einmal ansehen?“, fragte sie.
    „Natürlich!“ Mme Bertrand stellte ihre Tasse fort.
    Rose ging zum Schreibtisch und starrte auf die Kette. Sie hatte gerade die Hand nach dem silbrigen Schmuckstück ausgestreckt, als ihr Blick auf ein gerahmtes Foto fiel, das direkt neben der Kette stand, aber so gedreht war, dass sie es vom Tisch aus nicht hatte einsehen könne.
    Vor Schreck erstarrte sie.
     
    Fassungslos blickte Rose auf das Gesicht der Frau, die auf diesem Foto zu sehen war. Ihr Herz fing an zu rasen. Sie schaute hoch, suchte den Blick von Mme Bertrand, doch die alte Dame war dabei, Kekse auf einem Teller zu arrangieren. Sie war völlig in ihre Tätigkeit versunken und achtete nicht darauf, was Rose tat.
    Roses Blick wanderte wieder zu dem Foto. Ihr war schlecht. Die Frau auf der vergilbten Fotografie trug ein
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