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Die Verfluchte

Die Verfluchte

Titel: Die Verfluchte
Autoren: Claire Gavilan
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Heißes!“
     
    In dem kleinen Café gleich um die Ecke versuchte Rose Enora auf ihr sonderbares Verhalten in der Boutique anzusprechen. Aber vergeblich. Enora behauptete, Rose müsse sich getäuscht haben. Sie habe sich einfach nur darüber gewundert, dass Rose nicht mehr von Serge träume. Rose kaufte ihr das nicht ab, aber sie wusste auch, dass es keinen Sinn hatte, weiter nachzubohren. Wenn Enora nicht mit der Sprache herausrücken wollte, brauchte man schon Foltermethoden, um sie zum Reden zu bringen.
    Nachdem die beiden Frauen in ihr Ferienhaus zurückgekehrt waren, beschloss Rose, einen kleinen Spaziergang zum Weiher zu machen, der direkt unterhalb ihres Gartens lag. Sie fragte Enora, ob sie mitkommen wolle, aber die streifte sich stöhnend ihre hochhackigen Designerschuhe von den Füßen.
    „Nimm’s mir nicht übel, Liebes, aber ich mache heute keinen einzigen Schritt mehr!“, ächzte sie. Sie hatte eine dicke Blase am großen Zeh. Mit missmutigem Gesichtsausdruck untersuchte sie diese.
    Rose unterdrückte ein gehässiges Grinsen. „Wer hat neulich noch gesagt, die laufen sich ein?“
    Enora rümpfte die Nase. „Dachte ich ja auch“, schmollte sie.
    „Stimmt nicht! Du hast sie einfach anderthalb Nummern zu klein gekauft.“
    „Waren eben die letzten“, murrte Enora. Rose grinste nur, und da winkte sie ab. „Geh allein, Süße.“ Ein anzügliches Grinsen huschte über ihr Gesicht. „Aber lass dich nicht von blau angemalten Kelten vernaschen!“
    Erst als sie den Weiher schon fast erreicht hatte, fiel Rose ein, dass sie die blauen Muster auf dem Gesicht des Kelten Enora gegenüber mit keinem Wort erwähnt hatte.
     
    Der Weiher lag malerisch-verwunschen zwischen Wildrosenhecken, alten Buchen und raschelndem Schilf. Ein schmaler Pfad, der direkt hinter dem Ferienhaus begann, umrundete ihn. Ganz in der Nähe des Ferienhauses gab es eine uralte, völlig verfallene Hütte, in der es spuken sollte. Das zumindest hatte die Vermieterin erzählt, die Rose und Enora den Hausschlüssel überreicht hatte. „Genau an dieser Stelle“, hatte sie geraunt, „hat einmal das keltische Dorf gestanden, das Cäsar mit seinen Legionen überfallen hat. Es heißt, dass die Priesterin des Dorfes seitdem als Geist herumspukt, weil sie keinen Frieden finden kann.“
    Als Rose in den schmalen Pfad einbog, atmete sie tief durch. Ein paar Enten schwammen auf dem Wasser, in den Bäumen lärmten Spatzen. Es roch so intensiv nach Wildrosen, dass ihr fast schwindelig davon wurde. Die Büsche blühten tatsächlich dunkelrot. Fasziniert betrachtete Rose sie. Sie hatte noch nie zuvor so dunkle Wildrosen gesehen, sondern immer nur weiße oder rosafarbene. Ob das Blut der in der Schlacht gegen die Römer gefallenen Kelten sie tatsächlich gefärbt hatte?
    Rose blieb stehen, weil sie sich dumm vorkam. Es war schließlich nur eine Legende! Blut konnte keine Blüten färben – schon gar nicht für mehr als zweitausend Jahre.
    Da ist ein Durchlass in der Hecke ...
    Der Gedanke kam ihr so plötzlich, dass sie zusammenzuckte. Sie war noch nie zuvor hier gewesen, und trotzdem war sie sich ganz sicher, dass sich irgendwo ganz in der Nähe ein Durchlass befinden musste. Suchend schaute sie sich um.
    Und tatsächlich! Eine kaum schulterbreite Lücke klaffte in der Dornenhecke. Rose zwängte sich hindurch und fand sich am Ufer des Weihers wieder. Weiches Moos wuchs unter ihren Füßen. Die dornigen Zweige der Wildrosen bildeten ein schützendes Dach.
    Verwundert ließ Rose sich in das Moos sinken. Mit den Fingerspitzen berührte sie die Wasseroberfläche und sah den Kreisen zu, die dabei entstanden. Sie breiteten sich immer weiter aus, bis sie schließlich nicht mehr zu sehen waren. Der Duft der Rosen hüllte Rose ein, und plötzlich waren Bilder und Stimmen in ihr. Sie sah sich selbst in diesen Weiher springen. Sie hörte eine lachende Männerstimme, die rief: „Warte, du Biest!“ Und dann spürte sie Hände auf ihrem nackten Körper ...
    Mit einem Ruck tauchte sie aus dieser Vision auf und bemerkte, dass ihr Gesicht schon wieder nass war. Sie strich sich über die Wangen. Halb erwartete sie, Wassertropfen an den Fingerspitzen zu fühlen, so realistisch war das Bild von eben gewesen. Aber es waren keine Wassertropfen, sondern Tränen. Schon wieder weinte sie. Warum bloß?
    Zitternd holte sie Luft. Plötzlich fühlte sie sich einsam und unvollständig. So, als hätte sie früher jemanden gekannt und aus ganzem Herzen geliebt, ihn dann aber
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