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Die Verfluchte

Die Verfluchte

Titel: Die Verfluchte
Autoren: Claire Gavilan
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Gegend überall herumstanden. Rose ließ ihre Finger die Buchrücken entlangwandern, bis sie auf ein uraltes Tagebuch stieß. Neugierig zog sie es heraus und setzte sich damit in einen der gemütlichen, mit geblümtem Chintz bezogenen Sessel.
    Als sie es aufschlug, sah sie, dass hier jemand Notizen über eine Schlacht aus dem Jahr 56 vor Christus gemacht hatte. Mit hastiger Schrift, die Rose ein wenig an ihre eigene Sauklaue erinnerte, hatte jemand die uralten Ereignisse niedergeschrieben. Rose las sich schnell fest. Sie erfuhr, dass Julius Cäsar mit seinen Truppen Erdeven, das Dorf, in dem sie ihren Urlaub verbrachten, überfallen und belagert hatte und dass es zu einer blutigen Schlacht zwischen den Römern und den keltischen Dorfbewohnern gekommen war. Eine örtliche Legende erzählte davon, dass das Blut der gefallenen Kelten die Erde getränkt hatte und seitdem die Wildrosenbüsche unten am Weiher nicht mehr weiß blühten, sondern dunkelrot.
    Blutrote Wildrosen . Nachdenklich starrte Rose auf den runden Flickenteppich, der in der Mitte des Raumes auf den Holzdielen lag. Dann blätterte sie um. Eine Zeichnung sprang ihr ins Auge. Ein ziemlich ungeordneter Haufen keltischer Krieger, allen voran ein einzelner Mann, stand starren römischen Schlachtreihen gegenüber. Hell leuchteten seine blauen Augen, und die schwarzen Haare wehten im Wind. Sein Gesicht war mit einem Muster aus blauen Linien überzogen. Ein Muster, das genauso aussah wie das aus ihrem Traum ...
    Ihr Herz begann zu klopfen. Sie hob den Kopf und starrte aus dem Fenster. Kurz schien Schlachtenlärm an ihr Ohr zu dringen. Sie glaubte, das Klirren von Schwertern zu hören, die Schreie von Verwundeten und Sterbenden. Eine Frauenstimme schrie hoch und schrill einen Namen.
    „Alan!“
    Im nächsten Moment waren die Geräusche fort. Rose bemerkte, dass ihre Wangen tränennass waren.
    Energisch wischte sie sich über das Gesicht.
    Was war nur plötzlich mit ihr los?
     
    Sie träumt von ihm.
    Der Gedanke stand so überdeutlich in Glynis’ Geist, als hätte die Göttin Morgana persönlich ihn ihr eingegeben.
    Die Magie der Rosen an diesem Ort beginnt, ihre Wirkung zu entfalten.
    Glynis ließ das Amulett sinken, das sie eben betrachtet hatte. Ihr Blick wanderte durch das Fenster ihrer kleinen Hütte hinaus auf den Weiher, dessen Anblick sie so unendlich viele Jahre lang hatte entbehren müssen. Die blutroten Blüten der Wildrose leuchteten. Bei ihrem Anblick glitt ein feines Lächeln über Glynis’ Gesicht. Sie strich sich eine lange, schneeweiße Haarsträhne aus den Augen und klemmte sie hinter das Ohr. Müde war sie geworden in den vergangenen einhundertsechsundzwanzig Jahren. Es wurde Zeit, dass sie sich endlich beeilte, wenn sie in ihrem Leben die Aufgabe noch beenden wollte, die sie sich selbst auferlegt hatte.
    Eine schlanke, rote Katze betrat den niedrigen, leicht nach Herdfeuer riechenden Raum und strich ein paarmal um Glynis’ Beine. Glynis beugte sich zu ihr herab und kraulte ihr sanft den Kopf, aber gleich darauf wandte sie sich wieder dem Amulett zu. Es war rund, aus Silber gearbeitet und besaß sechs Fassungen für Edelsteine, die alle leer waren.
    „Blut und Silber und Rosen“, sagte sie zu der Katze. „Bald ist es so weit. Bald wird Alan kommen.“
     
    „Was liest du?“
    Enora war auf einmal da, Rose hatte sie gar nicht kommen hören. Erschrocken drehte sie sich um und klappte dabei das Buch zu.
    Ihre Freundin nahm es ihr aus der Hand und starrte auf den Einband. Täuschte sich Rose, oder zuckte sie dabei kurz zusammen? „Geschichte?“, murmelte Enora. „Wie langweilig!“
    Rose war drauf und dran, ihr zu widersprechen, aber sie presste nur die Lippen zusammen und dachte an den Kelten auf dem Bild. Er sah dem geheimnisvollen Unbekannten aus ihrem Traum sehr ähnlich. Als hätte sie das Bild früher schon einmal gesehen und ihn einfach in ihren Traum eingebaut.
    Endlich bemerkte Enora Roses nasse Wangen. „Ach du Scheiße!“, stieß sie hervor und legte das Buch fort. „Ein Anflug von Weltschmerz?“ Sie strich Rose sanft über eine Schulter. „Du hast selbst gesagt, dass Serge nicht der Richtige ist, Schätzchen. Dann solltest du langsam auch mal damit aufhören, ihm hinterherzutrauern!“
    Rose wischte sich über die Nase. „Hast ja recht“, murmelte sie und verschwieg, dass sie eigentlich gar nicht wegen Serge heulte. Tief in ihr drin fühlte es sich an, als habe sie schlimmen Liebeskummer. Und zwar nicht wegen ihres Ex.
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