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Die Verfluchte

Die Verfluchte

Titel: Die Verfluchte
Autoren: Claire Gavilan
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Kneifen galt jetzt nicht mehr.
    „Hallo“, schnurrte Emmanuelle und verkniff sich das „Süßer“, das sie sonst meistens hinterherschob. „Du siehst einsam aus.“ Aus den Augenwinkeln scannte sie die nähere Umgebung. Sie musste aufpassen, dass die Polizei sie nicht erwischte bei dem, was sie hier tat. Sie konzentrierte sich auf den Mann mit der Sonnenbrille.
    Er wartete eine Weile, bevor er etwas erwiderte. Sein Schweigen fühlte sich an, als würde er ihr mit glühend-heißen Fingerspitzen über jeden Zentimeter ihrer Haut streicheln. In ihrem Genick richteten sich die Härchen auf, und schlagartig wurden ihre Brustwarzen hart.
    Du liebe Güte!
    „Ich bin nicht interessiert“, sagte er dann. Er hatte eine tiefe Stimme.
    Emmanuelle musste ein Stöhnen unterdrücken. Sie riss sich zusammen und schob auffordernd die rechte Hüfte nach vorne. Auf diese Weise erhielt der Typ einen guten Blick auf ihren Oberschenkel. „Du verpasst aber was!“
    Wieder schwieg er.
    Sie kam sich vor, wie auf eine Folterbank gespannt. „Wie heißt du?“
    Er griff an die Sonnenbrille, und allein bei dem Gedanken, gleich einen Blick in seine Augen zu erhaschen, begann es in Emmanuelles Adern zu kribbeln. Doch der Typ rückte nur die Brille zurecht und ließ den Arm dann sinken. „Bitte geh mir aus dem Weg“, sagte er. Sein Tonfall war neutral, aber es gab keinen Zweifel daran, dass er bereit war, seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. Die Hand, die noch eben die Brille hochgeschoben hatte, ballte sich wieder zur Faust. Durch Emmanuelles Geist zuckte ein Bild davon, wie diese Hand über ihre Hüften wanderte und dann zwischen ihre ... Sie blinzelte hektisch und wartete noch eine Sekunde länger, bevor sie seiner Aufforderung nachkam. Es war die längste Sekunde ihres gesamten Lebens. Dann jedoch trat sie zur Seite. Zum allerersten Mal in ihrem Leben bedauerte sie, dass ein Freier sie abwies.
    „Ein schönes Leben noch“, murmelte sie. Es war ihr üblicher Spruch in einer solchen Situation, aber hier kam er ihr einfach nur albern vor.
    Der Typ nickte, dann machte er Anstalten weiterzugehen.
    Lass ihn nicht weg!, schrillte eine Stimme in ihrem Hinterkopf. Sie war kein naives, dummes Ding mehr, aber insgeheim träumte sie noch immer den Traum aller Huren dieser Welt: dass sie eines Tages einem Freier begegnen würde, der sie aus dem Dreck hier herausholte.
    „Wie ist dein Name?“, rief sie hinter ihm her.
    Er blieb kurz stehen und senkte den Kopf, als müsse er überlegen. Dann ging er weiter, ohne eine Antwort zu geben.
    Emmanuelle kämpfte gegen die Enttäuschung, die ihr sogar die Tränen in die Augen trieb. Sie hatte jedoch nicht die Gelegenheit, lange zu trauern, denn jetzt nutzten ein paar Kerle, die zu einer Straßengang gehörten, die Gunst der Stunde.
    Der Typ mit der Sonnenbrille war noch keine zehn Schritte weiter, als die Jungs sich von einer Bank lösten, die sie bis eben umlagert hatten. Mit breitem Grinsen auf den noch jugendlichen Gesichtern kamen sie auf Emmanuelle zu.
    „Na? Kein Glück gehabt?“, fragte derjenige, den sie für ihren Anführer hielten und den sie Razor nannten.
    Emmanuelle wusste, dass sein richtiger Name Pascal war. „Lass mich einfach in Ruhe!“, murmelte sie und wollte den Jungs ausweichen.
    Doch die fächerten sich auf und hatten Emmanuelle im nächsten Moment umringt. Sie wich gegen einen Fahrkartenautomaten zurück.
    „Wie wäre es, wenn du statt ihm mir einen bläst?“, fragte Razor und strich Emmanuelle eine Haarsträhne hinters Ohr.
    Ihre Haut begann zu prickeln, aber diesmal nicht vor Erregung, sondern aus Angst. Ihre Blicke huschten umher. Sonst wimmelte es auf dem Gare du Nord geradezu von Polizisten, aber natürlich war keiner in der Nähe, wenn man mal einen brauchte. Die Menschen, die mit dem Eurostar angekommen waren, hatten sich verlaufen, und außer ein paar klapperigen Rentnern in Gesundheitssandalen befand sich auf diesem Bahnsteig niemand mehr. Keine Chance auf Hilfe also.
    Emmanuelle straffte die Schultern. „Nimm deine Pfoten von mir!“, sagte sie so energisch, wie sie konnte. Sie wusste, dass Razor nicht vorhatte, sie für ihre Dienste zu bezahlen.
    Razor lachte nur. Er kam jetzt näher, drängte Emmanuelle mit der Hüfte gegen den Fahrkartenautomaten und nagelte sie so daran fest. Mit einer Hand packte er ihre rechte Brust. „Wieso? Ich dachte, du brauchst jemanden, der es dir besorgt. Ich weise dich nicht ab wie dieser ... Hengst, auf den du offenbar so
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